Berichte von 12/2014

Mittwoch, 24.12.2014

#45 Weihnachten! (Lichterketten, Hühnerbeine und Erdbeerkuchen)

Frohe Weihnachten an euch, die ihr bestimmt alle gerade mitten in den Vorbereitungen für Heiligabend steckt.

Weihnachten am 23.

Bei mir ist Weihnachten schon rum. Wir haben es gestern gefeiert. Jetzt braucht aber niemand zu denken, dass Weihnachten in Japan am 23. ist, oder das die Zeitverschiebung damit zusammenhängt. Nein, Weihnachten ist auch hier am 25. und Heiligabend am 24. und somit heute. Aber meine Gastfamilie hat beschlossen, die Feier einen Tag vorzuverlegen. Weil der 24. hier ein gewöhnlicher Tag ist (nur Schüler von christlichen Schulen habe frei), was bedeutet, dass Otoosan arbeitet. Und weil Shiori eine Weihnachtsfeier mir ihrer Klasse oder Club oder so hat und deshalb nicht da ist. 

Wir haben also den Feiertag gestern (der Geburtstag des Tenno, des japanischen Kaisers) dazu genutzt, erstmal alle Geschenke kaufen zu gehen, was einen halben Tag in einem riesen Einkaufszentrum bedeutete. Erstmal eine CD für mich und dann Kleider für Shiori und später dann außerdem noch Essen. Als wir wieder zuhause waren, bereitete Okaasan dann das Essen zu und wir aßen, wärend wir Weihnachtslieder hörten. Wenn es um Weihnachten geht, merkt man mal wieder, dass Japan stärker von Amerika als von Europa geprägt ist. Die Lieder waren alles irgendwelche englischen Lieder, die ich nicht kenne, wenn man davon absieht, dass ich sie in den letzten Wochen recht häufig gehört habe, und das Essen waren Hühnerbeine (aus dem amerikanischen Truthähnen wurden hier irgendwie Hühnerbeine, in den Augen vieler Japaner das Weihnachtsessen) und Salat und Pizza. Und, für alle, die gehört haben, dass man in Japan zu Weihnachten Erdbeerkuchen isst, das stimmt tatsächlich. Es gibt vielleicht noch die Variante Schokotorte, aber das war's dann auch schon. Dann packten wir Geschenke aus, und ich war die, die am meisten bekam. Yuutarou zum Beispiel bekam so gut wie nichts.

Japanische Weihnachten

Naja, Weihnachten hat hier keine so große Bedeutung. Warum sollte es auch. Die größte Bedeutung hat es wahrscheinlich für Paare, denn es ist so etwas wie ein kleiner Valentinstag (und Valentinstag ist hier sehr viel wichtiger als in Deutschland). Es heißt, dass es an allen schönen Orten von Pärchen wimmelt, aber ich mache mir nicht die Mühe, das zu überprüfen. Meine Freunde haben darauf auch keine Lust und bleiben lieber zuhause. Das allerwichigste an Weihnachten ist wahrscheinlich die Weihnachtsbeleuchtung, die es hier in vielen Parks und auf großen Straßen gibt. Die ist teilweise schön und teilweise irre und nicht so richig weihnachtlich, finde ich, aber was soll's. (Ihr könnt es euch ja anschauen: Japanische Weihnachtsbeleuchtung) Auch das Fernsehen berichtet ständig darüber. Weihnachtsbeleuchtung und so fängt jedenfalls fast so bald an, wie Halloween vorbei ist, dauert aber nur bis morgen. Dann wird alles schnell abgebaut und für Neujahr dekoriert. Neujahr ist eigentlich auch viel wichtiger als Weihnachten.

Weihnachten in der Schule

In der Schule hatten wir am Montag mal wieder Großputz, wie immer vor den Ferien, und diesmal war ich glücklicherweise auch nicht für die Toiletten eingeteilt, und dann Weihnachtsspiel vom Theaterclub, mit musikalischer Unterstützung von Musik- und Chor- und Orchesterclub, was ganz schön war, und danach Messe, die auch interessanter als sonst war, fand ich. Zum Schluss hatten wir dann noch in der Klasse eine Art Weihnachtsfeier, wo wir sogar einen Muffin und eine Waffel von der Schule bekamen und Spiele spielten und so. Jedenfalls spielt man normalerweise Spiele. Aber netterweise kam S-Sensei auf die Idee, dass ich einen Vortrag über Deutsches Weihnachten halten solle. Und zwar vor allen vier Klassen meines Jahrgangs. Aber nicht zusammen sondern vor jeden einzeln. Und ich hatte überhaupt keine Lust darauf. Nicht dass ich etwas dagegen hätte, über Weihnachten zu reden, ganz und gar nicht, ich rede seit Wochen mit jedem darüber, aber ich hatte keinen Lust, mir einen Vortrag auszudenken. Und außerdem wurde es zu lang, wenn ich versuchte es ein bisschen genauer zu erklären, aber wenn ich es nur ganz oberflächlich erkläre, kann ich es auch gleich lassen, denke ich. Und das dauerte also eine halbe Ewigkeit, weil ich es ja vier Mal machen musste, und dann mussten auch noch ein paar bedauerliche Auserwählte aus meiner Klasse eine Präsentation über japanisches Weihnachten halten, aber ehrlich gesagt erfuhr ich wirklich nichts, was ich nicht schon wusste. Was soll man denn auch über Weihnachten erzählen, wenn es keine Weihnachtstraditionen gibt? Auf jedenfall hatte ich so so gut wie nichts von der Feier, weil ich ja drei viertel mit Präsentationen verbrachte, und alle anderen taten mir etwas leid. Sie haben sich wirklich darauf gefreut, Spiele zu spielen und so, und wegen mir hatten sie dann erst dazu keine Zeit und konnten dann auch noch viel später nach hause als geplant. Und S-Sensei redete auch noch während ich die Präsentation hielt. Sie kann von mir aus gerne selbst über Weihnachten in der internationalen Schule halten oder darüber wie wir ihrer Meinung nach Weihnachten verbringen sollen, aber dass sich darüber einmischt, wie Weihnachten in Deutschland ist, wovon sie auch keine Ahnung hat, fand ich nicht so lustig. Außerdem brachte ich meine Klasse noch dazu, mit mir "Herbei o ihr Gläub'gen" zu singen, nachdem ich ihnen die Aussprache in Katakana dazu geschrieben hatte. Das Lied kennen nämlich irgendwie sehr viele. Was außerdem alle kennen ist "Stille Nacht", aber auf Englisch. Und "Tochter Zion".

Heute habe ich dann Vanillekipferl gebacken, was ich schon länger vorhatte. Leider gibt es in Japan keinen Vanillezucker und außerdem habe ich mich ein bisschen in der Menge von Mehl und Mandeln geirrt, so dass sie jetzt ziemlich nach Mehl schmecken, finde ich, aber Okaasan und Yuutarou haben sie trotzdem sehr gelobt. Dann habe ich heute noch Neujahrskarten geschrieben und mir endlich einen Mantel gekauft und Ferngesehen. Man könnte denken, dass ich traurig bin, so ohne Weihnachten, aber das stimmt gar nicht. Vor ein paar Wochen ging es mir etwas seltsam, so ganz ohne Vorweihnachtsstimmung, aber heute ist einfach nur wie ein ganz gewöhnlicher Sonntag (auch wenn natürlich Mittwoch ist). In den nächsten Tagen werde ich dann viel mit Freunden machen, weil wir jetzt Ferien haben, bis zum siebten oder achten Januar.

Ich hoffe jedenfalls, dass ihr alle ein schönes Fest habt!

Pauline

Donnerstag, 11.12.2014

#44 "Romeo und Julia", Fußball und Atemmasken; ein normaler Tag

Hallo!

Seit heute machen wir donnerstags im Sportunterricht Fußball. Ich habe mich seit mehreren Wochen darauf gefreut, obwohl das Bodenturnen, dass wir bisher gemacht haben, auch großen Spaß gemacht hat. Es war schon schön mal wieder Fußball zu spielen, wobei man allerdings nicht wirklich von Spielen reden kann, weil wir nur irgendwelche Übungen machen mussten, die abwechselnd für mich sehr einfach waren, oder bei denen ich den Bezug zu Fußball nicht verstand, es waren unserer Meinung die gleichen wie beim Basketball. Aber naja, ich hoffe darauf, dass es noch etwas spannender wird.

Romeo und Julia

Jetzt , wo die Tests rum sind, schauen wir in vielen Fächern Filme (genau gesagt nur in Englisch und Gesundheit, aber die waren beide heute). In Englisch schauten wir "Romeo und Julia". Dazu muss man leider sagen, dass wir nach den Tests im September auch schon "Romeo und Julia" gesehen haben. Und irgendwer kam auf die tolle Idee, unserem Lehrer zu sagen, dass er den Film mit Leonardo DiCaprio sehen wolle. Also durften wir uns den heute anschauen. Leider ist aber erstens ist der Film viel zu lang für 45 Minuten, so dass ständig vorgespult wird, was zur Folge hat, dass man wahrscheinlich kaum was versteht, wenn man nicht die Geschichte ziemlich gut kennt und das alte Englisch versteht, was auf die wenigsten meiner Klassenkameraden zu trifft. Und zweitens will unsere Lehrer nicht, dass wir sehen, wie sich jemand küsst, wo "Romeo und Julia" natürlich die allerbeste Wahl ist. Also werden alle Kussszenen auch noch vorgespult, wobei alle rufen und buhen, und von der Geschichte bleibt nicht mehr so richtig viel übrig. Letztes Mal haben noch welche geweint, weil sie das Ende so traurig finden, aber ich fand das ganze so albern, dass ich ununterbrochen gelacht habe. In Gesundheit sahen wir über einen richtig gruseligen Film über eine -ausgedachte aber Ebola nicht ganz unähnliche- Krankheit, die sich leider in den USA ausbreiten. Es war echt gruselig! Netterweise hat die Lehrerin aber aufs Vorspulen verzichtet und wir dürfen ihn nächste Woche zu ende schauen.

Das Wetter...

Heute habe ich zum ersten Mal eine Atemmaske benutzt. Weil ich seit ein paar Tagen Husten habe und mir mehrmals gesagt wurde, dass es besser sei, Masken zu benutzen, um andere nicht anzustecken und sich selbst vor der Grippen zu schützen, die hier gerade umgeht, und weil es einfach ein schönes Gefühl sei. Es ist irgendwie sehr seltsam, mit so einer Maske rumzulaufen, wobei es eigentlich niemanden stört, weil ja eh die Hälfte der Leute sie tragen. Außerdem muss man sagen, dass es zwar nervig ist, weil die Brille beschlägt und die Maske ständig in die Augen kommt, aber es ist wirklich warm und wahrscheinlich gegen den Husten tatsächlich gut, weil hier ist die Luft nämlich extrem trocken.

Vor zwei Wochen oder so wurde es mal recht kalt, aber heute waren es wieder 15 Grad. Ich habe es bisher noch ohne Mantel, nur mit Blazer, und auch ohne Strumpfhose ausgehalten. Nur Schal und Handschuhe benutze ich und manchmal Skiunterwäsche. Das machen alle hier so. Es ist aber ungewöhnlich warm, selbst für Japan. Trotzdem fühle ich mich oft kurz vor dem Erfrieren. Im Sommer sind die ganze Zeit die Fenster zu und die Klimaanlage an, aber im Winter will S-Sensei, dass wir die Fenster aufmachen, damit frische Luft reinkommt und sich so Viren nicht so leicht ausbreiten. Außerdem sind die Häuser kaum isoliert. Und selbst wenn die Klassenzimmer nach einer Weile ein bisschen warm werden, hat der Flur praktisch Außentemperatur, so dass ich manmal vor Kälte zitternd in der Bibliothek ankam, dabei ist der Weg von meinem Klassenzimmer dort hin nur zwei Minuten lang. Im Unterricht tragen wir eben Blazer und legen uns Decken und Schals auf die Beine, so lässt es sich einigermaßen aushalten.

Die Bäume, die den Weg am Tennisplatz säumen, sind alles Kirschbäume. Ein einzelner Baum heißt Oktoberkirsche und blüht seit zwei Monaten. In Verbindung mit dem roten Blättern der anderen Bäume sieht das sehr schön aus.

Pauline

P.S. Das neue Kopfbild ist ein Foto von sehr süßen Statuen im Hasedera Temel in Kamakura. Möglicherweise seht ihr aber auch noch das alte..? Irgendwie spinnt das Program hier.

Dienstag, 09.12.2014

#43 Japanisch

Hallo! やっほ~!

Heute geht es noch mal um meinen Japanischtest und Japanisch im Allgemeinen.

JLPT

Der Test heißt JLPT (Japanese Language Proficiency Test) oder Nihongo-Nou-Ryoku-Shiken. Er findet zwei Mal im Jahr, im Juli und Dezember, am gleichen Tag auf der ganzen Welt statt und ist seeehr offiziell. Wir bekamen Test Voucher und vor jedem der drei Tests, die alle mit kurzer Pause im selben Raum stattfanden, musste überprüft werden, ob die Nummer auf dem Voucher mit der auf Tisch, Aufgabenheft und Antwortzettel und die im Raum Sitzenden mit denen auf den Fotos übereinstimmten, dann wurde stundenlang erklärt, was erlaubt ist und was nicht und so, und die tausend Menschen im Raum saßen schweigend 15 Minuten da, wärend ihnen das zum dritten Mal erklärt wurde. Die Testzeit wurde dadurch aber erfreulich kurz. Es war außerdem irre, weil einfach der ganze Bahnhof und die ganzen Restaurants und alles in der Umgebung mit Ausländern voll war. Die Tests waren also Schriftzeichen und Vokabular, das heißt entweder die Lesung zu einem Kanji (chinesischem Schriftzeichen) aussuchen oder die das Kanji zu einer Lesung oder das am besten in einen Satz passende Wort. Danach Grammatik und Lesen und danach Hörverständnis. Das Hören war am einfachsten, wie von vornherein klar, aber auch Grammatik und Lesen fand ich erstaunlich einfach. Aber diese blöden Schriftzeichen waren mir leider größtenteils unbekannt, und wenn der Test zu schlecht ist, kann ich ihn auch nicht mit den anderen ausgleichen. Aber ich denke, dass es schon noch okay ist.

Schriftzeichen

Die Schriftzeichen sind schon eines der größten Probleme beim Japanischen. Es gibt die Silbenschriften und die Kanji, von denen Schüler mehrere tausend lernen und man ein paar hundert bis tausend braucht, um eine Zeitung lesen zu können. Leider haben sie aber im Gegensatz zum Chinesischen nicht nur eine Lesung, sondern häufig bis zu vier oder fünf, die sich dann aber in speziellen Fällen wieder ändern. Dadurch gibt es einen riesigen Unterschied zwischen gesprochenem Japanisch und geschriebenem: Es gibt viele Wörter, deren Bedeutung man zwar aufgrund der Kanji versteht, von dem aber keine normaler Mensch weiß, wie man sie ausspricht. Auch ich überspringe beim Lesen alle Kanjiwörter, deren Bedeutung ich ungefähr verstehe, so dass ich auch nach 25 Mangabänden über Musikstudenten immer noch nicht sicher weiß, wie man "Dirigent" jetzt eigentlich ausspricht (ich glaube "shiki-sha" 指揮者).

Männersprache und Frauensprache und sechs Arten ich zu sagen

Es wurde vor einiger Zeit mal gefragt, ob das Japanisch in Manga schwer sei. Ich denke, das hängt sehr vom Manga ab. Erstmal gibt es Manga, bei denen die Aussprache der Kanji daneben steht, und welche, bei denen sie nicht dabei steht, und das sprachliche Nivau hängt sehr davon ab, ob der Manga für Kinder oder Erwachsene ist. Dann kommt es natürlich auch darauf an, wie sehr man Manga lesen will. Ich habe am Anfang versucht, Naruto zu lesen, aber es trotz der Aussprache, die dabei steht, schnell wieder aufgegeben. In letzter Zeit konnte ich es dann lesen, aber jetzt ist es zuende. Aber nicht nur die Kanji sind möglicherweise ein Problem, am Anfang fand ich Manga auch deshalb schwer, weil sie ganz andere Wörter und Ausdrucksweisen benutzen, als ich in meinem Alltag. Denn es gibt im Japanischen nicht nur einen großen Unterschied zwischen gesprochener und geschriebener Sprache, sondern dann auch noch mal viele verschiedene sprachliche Ebenen. Es gibt Unterschiede zwischen der Art, wie Männer sprechen und der Art wie Frauen sprechen und es gibt eine ganze Menge höflicher bzw. umgangssprachlicher Ausdrücke je nachdem, mit wem man spricht. Also fand ich es sehr interessant, den oben erwähnten Manga über Studenten zu lesen, weil diese einfach eine komplett andere Ausdrucksweise benutzen, als in meinem Alltag vorkommt. Und es ist ja dann auch nicht so, dass der ganze Manga in der gleichen Art geschrieben ist, sondern natürlich ändert die Hauptrolle ihre Sprechweise je nachdem, ob er mit Freunden, seiner Freundin oder Lehrern spricht. Es gibt, nur als Beispiel, eine Menge Wörter, die "ich" bedeuten: Watashi (normal), Watakushi (sehr sehr höflich), Boku (Männersprache), Atashi (niedlich), Uchi (vor allem von Frauen benutzt), Ore (noch stärkere Männersprache). Genauso natürlich auch eine Menge Arten für "du". In Manga wird dann die Sprechweise (also ob es höflich oder umgangssprachlich, cool oder kindlich etc. ist) noch dadurch verdeutlicht, ob wie die Wörter geschrieben werden. Das heißt ob in Kanji oder Hiragana (Silbenschrift) oder Katakana (Silbenschrift für ausländische Wörter) oder manchmal sogar in Alphabet. Und am Anfang habe ich einfach überhaupt nicht verstanden, was das jetzt heißen soll, wenn ein Wort, oder auch nur ein halbes Wort, auf einmal in Katakana geschrieben wird, weil man es normalerweise einfach nicht macht. Aber wenn man es dann mal kapiert hat, macht das irgendwie total viel aus und ich habe angefangen mich zu fragen, wie man das eigentlich ins Deutsch oder in irgendeine andere Sprache übersetzen soll. Man kann diese Dinge nicht übersetzen, glaube ich.

Von der Unmöglichkeit, Japanisch zu übersetzten

Es gibt noch andere Dinge, die man schlecht übersetzen kann, finde ich. Zum Beispiel gibt es im Japanischen extrem wenige Adjektive. Man benutzt eigentlich immer die gleichen. Aber es ist viel Leichter, eine Stimmung auszudrücken. Wenn man sagen will, dass es heiß ist, sagt man einfach "atsui", wenn man müde ist "nemui", wenn man sich ärgert "yabai" oder "iya da". Es ist irgendwie sehr einfach. Viel wird auch durch die Stimme oder Endpartikel erklärt. Die Endpartikel sind Silben, die man hinten an den Satz dran hängt, und mit denen man die ganze Stimmung oder sogar Bedeutung verändern kann:

  • "ii" = "gut".
  • "ii ne" = zustimmend: "reffen wir uns in den Ferien mal?" "ii ne" (Au ja!)
  • "ii na" = etwas neidisch: "ich fahre bald nach Oosaka!" "ii na" (ich würde auch gerne fahren)
  • "ii yo" = schon in Ordnung

Außerdem kann man die Adjektive auch gleich ändern; aus "sugoi" (cool, toll) wird "suge" oder "sugoooi", je nachdem wer es sagt. So was kann man nicht übersetzen. Aber wenn man es verstanden hat, macht es Spaß.

Ein großes Problem, neben den Schriftzeichen, sind die verschiedenen Spracheben, die man benutzen muss, wenn man mit Höhergestellten spricht. Man benutzt andere Verben oder andere Formen der Verben und laut Japanern können selbst Japaner die nicht perfekt. Was außerdem in der Realität (zumindest in der Realität von Schülern) anders ist als in Lehrbüchern, ist, dass in einem Gespräch nicht beide die gleiche Ebene benutzten. In Lehrbüchern sprechen immer alle gleich höflich miteinander. Aber in echt sprechen die Lehrer oft ziemlich umgangssprachlich mit uns, während von den Schülern aber natürlich erwartet wird, dass sie höflich sprechen. Genauso, wenn man Leute trifft, die älter als man ist, oder mit den Senpai redet. Und es ist irgendwie viel schwerer als mit dem Siezen im Deutschen. Ganz zu schweigen davon, dass wir Austauschschüler öfters mal Probleme damit haben, Angestellte in Restaurants oder so zu verstehen, weil die einfach viel zu höflich sind.

Fernsehen

Ach so, ich fand es eigentlich recht nervig, für den Test zu lernen und dachte mir auch immer wieder, dass ich für den Alltag lernen will und nicht irgendwelchen Mist der im Test drankommt. Aber manchmal hat es mir tatsächlich geholfen, irgendwas im Alltag, zum Beispiel Fernsehen, besser zu verstehen. 

Gestern habe ich beschlossen, dass ich jetzt wirklich Japanisch kann. Ich habe nämlich den ganzen Abend Fernsehen geschaut, eine Sendung über Politik und über Dinge in Japan, die von der Welt kritisch gesehen werden, wie Japans Staatsschulden oder die Stellung der Frauen hier oder die Todesstrafe. Ich fand die Dinge weniger überraschend, die Leute im Studio dafür umso mehr. Es war aber eine richtig interessante und gute Sendung, fand ich. Und ich dachte mir, wenn es mir jetzt schon Spaß macht, Sendungen über Politik anzuschauen, dann ist mein Japanisch schon ziemlich gut. Ich habe in letzter Zeit deutlich weniger Fernsehen geschaut als im Sommer, aber als ich noch schaute, also so im Oktober, nervte mich die Häufigkeit von Sendungen, die einen schönen Schein auf Japan werfen, ganz besonders die, in denen man Touristen in Kyoto sieht. Um so schöner fand ich es, als auch meine Gastfamilie sagte, dass diese Art von Sendungen, in denen am Ende vor allem hängenbleibt, dass irgendein Japaner irgendwas tolles gemacht hat, oder so in der Art, wirklich viel zu oft kommen. Ach so, noch was von wegen Japanisch, ich finde es schon vollkommen unvorstellbar, mit meiner Gastfamilie Englisch zu sprechen.

じゃね!

Montag, 08.12.2014

#42 Nach langer Zeit - Von Putzlappen und Toleranz

Hallo,

tut mir leid, dass ich so lange nichts von mir hab hören lassen.

Meine Zeit hier neigt sich so langsam dem Ende zu. Ich weiß, es sind noch zwei Monate. Aber zwei Monate sind nicht viel. An manchen Tagen verpasst mir diese Erkenntnis einen Schock. Aber es gibt auch immer öfter Tage, an denen ich mich, zumindest ein kleines bisschen, darauf freue, wieder heimzukommen.

In Ibaraki und auf der Klassenfahrt war es sehr schön. Aber seit ich wieder in Yokohama war, hatte ich dann zu nichts Lust. Vor allem nicht zum Lernen (und auch nicht zum Blogschreiben). Ein bisschen war es wohl Erschöpfung, und ein bisschen lag es wohl auch daran, dass ich von meiner Schule hier genervt war. In Ibaraki habe ich in einer Woche drei Mal mit Freunden was gemacht. Das entspricht wahrscheinlich zwei Monaten hier. Meine Freunde haben fast nie Zeit und nach der Schule, wenn viele Schüler noch essen oder Purikura machen gehen, ist es für uns ja verboten, einen anderen als den direkten Heimweg zu nehmen. Ich würde so gerne öfter was mit Freunden machen. Ich denke, dass ist mir in Ibaraki und auf der Klassenfahrt noch mal richtig klar geworden, so dass ich dann ein bisschen niedergeschlagen war.

Davon, Putzlappen zu nähen

Freitag vor einer Woche war es dann besonders unschön. Ich wollte meine Lehrerin eigentlich nur schnell was fragen und dann früh - wegen der Examen, die letzte Woche waren, hatten wir keinen Club - heimgehen, aber sie fing an, über tausend Sachen zu reden und mir eine Menge Fragen darüber, welchen Unterricht ich jetzt eigentlich mitmachen will, zu stellen, und ich konnte die Fragen nicht beantworten und hatte keine Lust, darüber zu reden und war erkältet und verstand nicht, warum sie mich einfach nicht verstand. Als ich meinen Freunden danach erklärte, was ich will, verstanden die es, aber meine Lehrerin, auch wenn ich weiß, dass sie wirklich versucht, alles gut für mich zu machen, versteht mich nicht. Außerdem sagte sie mir, dass ich praktisch aus dem Handarbeitsunterricht, den ich zusammen mit dem Jahrgang unter mir hatte, rausgeworfen wurde. Weil ich etwas geschrieben hatte, was die Lehrerin als Desinteresse aufgefasst hat. Ich gebe zu, es war wirklich nicht nett, was ich geschrieben habe. Wir mussten nämlich Putzlappen nähen. Das heißt, man bekommt einen großen Lappen, den man vierteln muss und dann nach ein paar Regeln zusammennähen. Die Lappen benutzen wir dann später, um mit ihnen die Schule zu putzen, was wir ja auch selbst machen. Meiner Meinung nach könnte man mit den Lappen auch gut putzen, ohne sie vorher zusammen zu nähen, aber ich denke, es ist wahrscheinlich einfach billiger als richtige Sachen zu nähen. Während dem Nähen durften wir uns nicht mal unterhalten, was uns alle am meisten aufregte. Zwei Stunden Nähen ist ja schön und gut, aber zwei Stunden schweigend Nähen ist wirklich blöd. Vor allem verstehe ich den Grund nicht. Also gut, so nähten wir also und unterhielten uns natürlich trotzdem etwas, und ich gab mir wirklich Mühe und mein Lappen war auch ganz schön ordentlich. Und dann mussten wir am Ende ein Kansou schreiben, das müssen wir ständig, da schreibt man, wie man es fand oder was man gefühlt hat, was einen interessiert hat oder wo man Probleme bzw. Erfolge hatte. Bei der Klassenfahrt oder so ist das verständlich, aber was soll man denn schreiben, wenn man Putzlappen näht? Also schrieb ich, dass es langweilig sei und schöner, wenn wir dabei reden dürften und dass ich froh sei, dass ich das in Deutschland nicht machen müsste. Ich gebe zu, dass es nicht nett war und im Nachhinein tat es mir auch etwas leid, aber ich saß immerhin inmitten von 45 Leuten, die alle das gleiche dachten. Meine Sitznachbarn fanden es also sehr lustig. Die Lehrerin aber offenbar nicht, jedenfalls sagte sie danach meiner Lehrerin, dass ich lieber nicht mehr kommen sollte, da ich offenbar kein Interesse daran hätte. Da ärgerte ich mich ziemlich über mich selbst. Vorgestern habe ich sie allerdings wieder getroffen, und sie war total nett und es klang eher so, als ob sie einfach denkt, dass es für mich schöner ist, wenn ich nicht komme.

Examen und AFS-Feier

Letzte Woche hatten wir jetzt also Examen. Ich machte wieder Englisch und Mathe und diesmal außerdem Bio. Und am Freitag wurde mir erlaubt, dass ich den ganzen Vormittag in der Bibliothek lernen darf, weil gestern mein Japanischtest war. War ganz okay, hoffe ich. Das Ergebnis erfahre ich im Januar. Für die Schulexamen habe ich leider erst sehr spät, ungefähr am Samstag, angefangen zu lernen, was man an meinen Punkten auch sieht, aber ist ja eigentlich egal. Nur ein paar Lehrerwundern sich vielleicht.  

In den letzten Wochen habe ich außerdem viel mit den anderen Austauschschülern gemacht, jede Woche, manchmal sogar Samstag und Sonntag. An einem Tag war zum Beispiel die 100-Jahre-AFS/60-Jahre-AFS-Japan-Party. Dort waren viele Austauschschüler, viele, die ich seit März nicht mehr getroffen hatte und manche, die ich noch nicht kannte, weil sie erst im August kamen. Wir waren ungefähr 10 Leute aus Deutschland, Österreich und der Schweiz und redeten so einen ganzen Tag lang Deutsch. Außerdem machten wir Stände über unsere Länder und während die aus den anderen Ländern alle tolle Sachen mitgebracht hatten, hatte von uns 10 (wir waren zusammen) nur ein Schweizer ein paar Kalender und ich ein paar Fotos mitgebracht, weshalb der Stand ganz schön karg aussah. Die eine Hälfte der Leute konnte außerdem noch kein Japanisch und die andere verkrümelte sich immer, so dass ich die meiste Zeit alleine die Fotos irgendwelchen Besuchern erklärte. Aber es machte eigentlich großen Spaß. Außerdem kam eine japanische Prinzessin, ich habe leider gerade den Namen vergessen, und redete auch mit mir (und mit allen anderen). Das war toll. Dabei fällt mir ein, dass ich Sonntag vor einer Woche außerdem den japanischen Premierminister gesehen habe, der aus dem Auto zu uns winkte, nachdem er wahrscheinlich im Ramen des Wahlkampfes (in einer Woche sind hier Wahlen) eine Rede hielt oder so.

Wie tolerant sind wir?

Was außerdem interessant dabei war, dass ich die anderen Austauschschüler so viel traf, war, dass ich mitbekam, dass viele AFS Japan richtig blöd finden. Weil die so streng sind. Irgendwie hatte ich nie ein Problem mit denen. Weil ich sowieso keine Sachen machen will, die AFS Japan für ungut hält, total brav bin und in meiner Gastschule als perfekte Austauschschülerin gelte, was sich dann auch positiv auf die Meinung von AFS und somit ihre Strengheit auswirkt, denke ich. Außerdem kann ich bei meiner Schule wirklich schlecht darüber meckern, dass AFS streng wäre. Also, für die, die demnächst nach Japan gehen, wenn ihr vorhabt, viel mit Austauschschülern zu machen oder weitere Wege bis nach Tokyo zu fahren oder irgendwo übernachten wollt oder ähnliche Dinge, könntet ihr hier Probleme bekommen. Naja, manche Sachen sind schon richtig gemein, weil es zum Beispiel extrem vom Chapter abhängt, was erlaubt ist und was nicht, und dass viele Regeln nirgends festgeschrieben sind. Aber andere Dinge fand ich eigentlich auch ziemlich erwartbar. Zum Beispiel sagen viele hier, dass sie nicht wie Kinder behandelt werden wollen, weil sie immerhin schon 16 oder 17 sind. Aber es ist eben so, dass 16-Jährige hier in den Augen der meisten noch als Kinder gesehen werden (man gilt ungefähr so lange als Kind, wie man in der Oberstufe ist. Volljährig wird man aber erst mit 20 und Alkohol sowie Zigaretten sind natürlich auch erst ab 20 erlaubt). Aber das stand eigentlich von vornherein in den Unterlagen, die wir bekamen. Genauso, wie dass wir nicht reisen dürfen und dass es unerwünscht ist, dass wir viel mit anderen Austauschschülern machen.  Außerdem sagen viele Südamerikaner, dass es doch albern sei, ihnen erklären zu wollen, dass Tokyo gefährlich sei, wenn man mal überlegt, wo sie herkommen. Das ist es wahrscheinlich tatsächlich.

Aber ich kam trotzdem etwas ins Grübeln. Wie tolerant sind wir Austauschschüler eigentlich? Ich meine, wir erwarten von jedem Japaner hier, dass er uns verzeiht, wenn wir ihn unwissentlich in unhöflichem Japanisch ansprechen oder irgendwelche Verhaltensregeln missachten. Wir sehen so viele Dinge und denken uns, das ist schlecht, das ist in meinem Land besser. Und klar, es ist ja auch gut, sich eine Meinung zu bilden. Aber andererseits haben wir uns ja alle freiwillig dazu entschieden einen Schüleraustausch nach Japan zu machen. Für was, wenn wir im Unterricht schlafen, die Hausaufgaben nicht machen, während alle die Tests schreiben Ferien haben, nicht mit unseren Gastfamilien sprechen und auf all die Rechte, die wir in unseren Heimatländern hatten, bestehen? Vielleicht, dachte ich mir irgendwann, sind wir ja eigentlich auch intolerant. Man muss ja nicht alles toll finden. Man soll nicht alles toll finden, denke ich. Aber wenn man sich entscheidet, als Schüler in ein Land zu gehen, in dem Schüler als Kinder gelten, dann sollte man sich dem vielleicht beugen. Oder nicht? Auch andere Dinge sind mir aufgefallen. Zum Beispiel, dass es viel mehr Menschen als in Deutschland gibt, die man respektiert oder verehrt. Das fängt schon beim Verbeugen vor dem Unterricht an oder dabei, was für eine hohe Stellung der Schulleiter hat. Mich nervt das oft. Unser Schulleiter hier ist eigentlich sehr freundlich. Aber man hätte nie das Gefühl, dass man zu ihm gehen könnte, wenn man ein Problem hat. Aber irgendwann dachte ich mir, dass auch das wohl einfach ein Teil der Kultur hier ist. Klar, war mir eigentlich von vornherein klar, aber ich hatte noch nie wirklich darüber nachgedacht. Und auf einmal fragte ich mich, warum es mich beim Aikido eigentlich noch nie gestört hat, mich tausendmal vor dem Meister zu verbeugen.

Das war jetzt ein etwas unstrukturierter Eintrag mit einer seltsamen Auswahl an Themen, aber ich will ihn eifach endlich mal veröffentlichen, weil ich schiebe das schon so lange vor mir her und mit jedem Tag, an dem neue Dinge geschehen, wird es schwerer, alles aufzuschreiben. Vielleicht klang das was ich geschrieben habe alles etwas negativ, aber das sollte es gar nicht. Es geht mir gut. Ich versuche, bald mal wieder zu schreiben.

Pauline