Berichte von 01/2015

Freitag, 23.01.2015

#48 Das geht mir alles so was von auf die Nerven!

Wie uns unsere Pause geraubt wurde

Meine Schule ging mir heute so was von auf die Nerven!

Heute wurden drei Stunden vertauscht, so dass wir in der 1. Stunde Sport, der 6. das eine und in der 7. das andere Mathe hatten. Das Mathe, das heute in der 6. war, ist normalerweise in der 7. Das ist schon immer nervig genug. Aber dann ist wenigstens danach Schluss. Heute quälte ich mich durch die Stunde, in der ich nichts verstand, und musste danach noch eine Stunde Mathe mit S-Sensei machen, in der ich genauso wenig verstand. Und S-Sensei ist ja unsere Klassenlehrerin. Sie kam also auf die tolle Idee, dass man auf die Pause zwischen der 7. Stunde und dem kurzen Homeroom doch auch weglassen könnte. Und das sind immerhin 10 Minuten! 10 Minuten, in denen man seine Sachen einpacken könnte, in denen man aufs Klo gehen, mit Freunden reden oder das tolle Wetter genießen und Volleyball spielen könnte. Aber nein, wir sitzen also da, während sie mit ihrer irren Geschwindigkeit Formeln an die Tafel schreibt und mit ihrer schrecklich hohen Stimme die Erklärung dazu runterrattert, und die aus den anderen Klassen im Flur lachen und durchs Fenster zu uns reinstarren und grinsen. Es kommt oft vor, dass Lehrer überziehen. Manchmal zwei, drei Minuten, bei S-Sensei werden es manchmal auch 5 (wobei wir natürlich nur 10 Minuten Pause haben). Aber dann ist es halt so, dass der Lehrer die Zeit vergessen hat und man denkt sich was soll's, warte ich halt noch eine Stunde mit dem auf's Klo gehen und trinken und was man halt eigentlich alles so machen wollte. Aber dass sie von vornherein mit der Absicht kommt, die Pause durch zu machen, fand ich echt unverschämt. Und dann beschwert sie sich auch noch, dass wir alle während dem Homeroom zu laut seien, wir sollten gefälligst später spielen. Das lässt sich leicht sagen, aber wann soll später denn sein!? Denn auch wenn sie früher mit dem Homeroom angefangen hat, heißt dass natürlich nicht, dass sie pünktlich aufhören würde, nein, sie überzieht wieder 7 Minuten, wie immer. Und dann müssen ja alle ganz schnell aufräumen und zu ihren Clubs, weil sonst die Senpais schimpfen und nach dem Club müssen sie aus der Schule rennen, weil die um halb sechs schließt und nach der Schule ist es ja zufälligerweise verboten, irgendwas zu machen. 

Immer auf die Kleinen!

Aber das hat sie sich bestimmt alles nicht überlegt. Alle sind hier so. Alle achten nur darauf, dass die Schüler die Anforderungen erfüllen, die sie selbst an sie stellen. Jeder Lehrer sagt "lernt gefälligst mehr!" aber wie sollen die denn noch mehr lernen? Schließlich sagt es ja wie gesagt jeder Lehrer. Es gibt auch Tage, an denen wir nur von einem Unterricht zum nächsten hetzen, und jeder Lehrer überzieht, wahrscheinlich ohne überhaupt daran zu denken, dass uns der nächste Lehrer dann anmeckert, weil wir zu spät kommen. Aber das können wir ja nicht erklären. Und im Club geht es dann noch so weiter. Mich betrifft es ja nicht wirklich, aber mir tuen diese kleinen Siebtklässler echt leid, weil sie einfach alles abbekommen. Jeder meckert über sie und findet, dass sie 1.) nicht früh genug und 2.) nicht oft genug kommen, dass sie 3.) nicht laut genug grüßen, 4.) zu faul sind, 5.) zu unbegabt... Haben alle vergessen, wie es war, als sie die Kleinen waren? Verändert so ein System die Menschen? Oder bin ich einfach nur von Natur aus nicht dafür geeignet? Ich glaube, ich würde, sobald ich weit genug aufgestiegen wäre, all die fiesen Regelungen abschaffen, weil sie mir so leid tun. Aber nein. Im Teezeremonieclub gibt es 26 von den Siebtklässlern. Normal sind so um die 10-14 pro Jahrgang. Dadurch gibt es eine Menge Probleme und alle sind sehr unzufrieden mit den vielen Leuten. Vor den Weihnachtsferien sagte deshalb der eine Senpai, dass man aus einem Club auch austreten könne. Nach den Ferien traten deshalb tatsächlich 3 aus. Weshalb meine Freundin wieder unzufrieden war. Weil erst die Falsche austrat und sie bei den anderen beiden den Grund unzureichend fand. Aber was soll man den bitte als Grund sagen? Wenn man sagt, dass es einem einfach keinen Spaß macht, dann finden sie es bestimmt auch nicht toll. Wissen sie überhaupt, was sie als Grund hören wollen?

Marshmallows mit Pizza und Marshmallows ohne

Gestern kochte ich mit dem Jahrgang unter mir. Mit der Lehrerin, die mich vor einiger Zeit rausgeworfen hat. Naja, sie hat mich eigentlich nicht rausgeworfen, sie fand glaube ich wirklich nur, dass ich als Austauschschüler Spaß habe soll und nicht in einen Unterricht gehen, in dem es mir nicht gefällt. Weshalb sie mich zum Kochen wieder eingeladen hat. Es war auch wirklich lustig. Wir buken Pizza aus Gyouza-Teig (Gyouza sind kleine, ursprünglich chinesische Maultaschen und den Teig kann man fertig kaufen), was wirklich sehr einfach ist. Eine Gruppe schaffte es aber trotzdem, ihre Pizza anbrennen zu lassen (wobei sie uns wirklich nicht gesagt hat, wann die Pizza fertig ist, glaube ich). Da hat sie sich furchtbar aufgeregt. Die Klasse sei wirklich ein Mist. Den das Ganze diene ja dazu, zu üben, wie man lustig mit Kindern kochen kann. Und was wir machen würde, sei unglaublich gefährlich, die Kinder würden sich ja verbrennen, und die Kinder dürften auch keine verbrannte Pizza essen. Sie nannte auch alle "Mutter". Aber mein Gott, dass sind 15-jährige Mädchen und Japaner sind auch noch kindlicher als Deutsche. Die können von mir aus lernen, wie sie sich ernähren, wenn sie irgendwann Studenten werden und alleine wohnen, aber zu üben, wie sie mit ihren Kindern kochen sollen, ist schon etwas früh, finde ich. Okaasan meinte, normalerweise würden die Lehrer beim Kochen nicht wütend werden. Wahrscheinlich hat S-Sensei recht und diese Lehrerin ist einfach nur ziemlich altmodisch und streng. Jedenfalls hatten wir eigentlich eine Menge Spaß. Meine Gruppe buk nämlich zwei salzige Pizzen und dann noch eine süße mit Schokolade und einer unglaublichen Menge an Marshmallow drauf. Und das Mädchen, dass die Marshmallow mitbrachte nutzte die Gelegenheit um ungefähr viermal so viele mitzubringen, wie wir brauchten, so dass wir einfach nur zwei Stunden Marshmallows mit Schokosoße aßen.

Das Thema Nr. 1

Das Thema der letzten Tage waren natürlich die entführten Japaner. Ich weiß nicht, was ich davon denken soll. Viele schockte es ziemlich. Nachrichten darüber, was in Nahost passiert, kommen hier ja nicht besonders viel im Fernsehen. Und selbst wenn schon viel über die Terroranschläge in Paris berichtet wurde, hatten alle das Gefühl, dass das doch sehr weit weg sei. Und auf einmal ist es nicht mehr weit weg. Das Gebet in der Schule war deshalb auch mal für die entführten Jounalisten, nicht dafür, dass wir von der Grippe verschont bleiben, wie sonst immer. Schöne Abwechslung. Aber ob den allen klar ist, dass davor auch schon mal andere Leute entführt wurden, weiß ich nicht genau. Die allgemeine Meinung ist jedenfalls, dass es einfach dumm ist, in so ein Land zu gehen, und dass die eigentlich selbst schuld sind. So ein bisschen von wegen "lasst uns doch einfach alle schön in unserem Land bleiben, wie früher auch, und die anderen Leute da draußen machen was sie wollen!"

Mal wieder Schule und Uni

Morgen hat meine Klasse Tests 80 Minuten Englisch, 80 Minuten Japanisch und 100 Minuten Mathe. Das ganze ist aber nicht von der Schule sondern von Benesse, einer Nachhilfe(?)firma. Alle Schüler in Japan müssen den Test machen. Abhängig von der Punktzahl werden ihnen dann Universitäten vorgeschlagen und sie können sehen, wie gut sie verglichen mit allen Schülern in Japan sind. Ich weiß nicht, ob oder wie viel sie dafür lernen. Ich weiß auch nicht, was es für ein Vorteil hat, eine gute Punktzahl zu erreichen. Und ich weiß vor allem nicht, wieso Benesse so viel Macht hat. Das ist eine Firma! Wieso hat eine Firma die Macht, die gesamten Jugentlichen zu Tests zu zwingen und sie dann in irgendwelche Tabellen einzuordnen? Ich habe gesehen, wie das aussieht. Die bekommen dann so richtige Hefte, in denen Statistiken über ihre Fähigkeiten stehen. Dann sieht man da, in xyz bin ich eine Niete. Irgendwie kommt mir das ganze seht seltsam vor. Am Ende werden diese Daten vielleicht auch noch irgendwo gespeichert..? Ach so, die japanische Universität dauert 4 Jahre, allerdings hat man danach nur den Bachelor. Das reicht aber, so dass nur wenige für weitere ein oder zwei Jahre zur Uni gehen, um ihren Master zu machen. Ob irgendwer danach noch länger bleibt, um einen Doktor zu machen, weiß ich nicht. Wenn man einen ganz normalen Uniabschluss nach vier Jahren macht, ist man automatisch dazu berechtigt, zu unterrichten, nur um Grundschul- oder Kindergartenlehrer zu werden, muss man noch extra Kurse machen. Aber um an Mittel- oder Oberschulen zu unterrichten, braucht man, so weit ich es verstanden habe, nicht auch nur eine Stunde lang was über Pädagogik zu lernen. Kein Wunder, dass sich an den Unterrichtsmethoden hier nichts verändert. Außerdem wird hier Chemie, Physik und Bio als Naturwissenschaft zusammengefasst, und wenn man in einem der drei einen Abschluss hat, darf man alle drei unterrichten! Man muss auch alle drei machen, selbst wenn man schon weiß, dass man zum Beispiel Bio studieren will, kann man Physik nicht abwählen. Die Schule ist hier nämlich ab der 11. Klasse zwischen Naturwissenschaftlichem- und Sprachlich-Gesellschaftlichem-Zweig unterteilt, dass heißt, man hat entweder keine Naturwissenschaften oder kein Geschichte und Politik, aber beides zusammen kann man nicht wählen.

Das war jetzt alles ziemlich negativ, tut mir leid. Ihr braucht jedenfalls keine Angst zu haben, dass ich noch länger hier bleibe, die Schule geht mir zu sehr auf die Nerven. Nur noch gut zwei Wochen... Ich weiß nicht was ich denken soll. Es ist jedenfalls komisch in den Kalender zu schauen, und zu sehen, wie voll diese zwei Wochen sind, und dass danach alles weiß ist. Ich weiß noch nicht mal, wann die Schulferien oder ähnliches ist.

Essen, das ich vermisse:

  • Brot (ganz besonders Kastenbrot mit Sonnenblumenkernen und frisches Bauernbrot, mit Avocado, Pesto und Tomaten oder Frischkäse und Gurken)
  • Schafskäse in allen Variationen
  • Lasange (wie wird das geschrieben?!)
  • Bandnudeln mit Linsen 
  • Nudeln, mit Ausnahme von Spagetthi mit Tomatensoße, und Spätzle
  • Pfannkuchen
  • Kartoffelgratin und selbstgemachten Kartoffelbrei
  • Gebäck vom Bäcker
  • Samosa
  • Schokolade!
  • Leckere Äpfel
  • Bohnensalat und Salatsoße mit Yogurt und Senf

Normalerweise vermisse ich das gar nicht so, nur wenn ich hungrig vom Bahnhof nach hause laufe, fällt mir eine Menge ein. Wobei mir auch oft japanisches Curry als erste Wahl einfällt. Japanisches Curry ist vollkommen anders als indisches und sehr lecker (indisches aber auch). Ich werde es vermissen, wenn ich wieder in Deutschland bin. Und vor allem Reis! Und japanische Süßigkeiten und den vielen leckeren Tee. Ich habe übrigens noch gar nicht geschrieben, dass ich in den Weihnachtsferien Klöße, Rotkohl und Fleischkloppse gekocht habe. Den Rohkohl konnte ich zwar kaufen, aber natürlich musste ich den Kloßteig selbst aus Kartoffeln, Stärke und Mehl herstellen. Sie sind nicht auseinandergefallen, sahen auch gut aus, leider war der Stärkegeschmack aber etwas stärker als der Kartoffelgeschmack. Meiner Gastschwester hat es trotzdem gut geschmeckt. Und mir auch. Und mit viel Stärke drin wird man auch schneller satt als normal, wie mir scheint. Die Fleischkloppse habe ich gemacht, weil ich nicht wusste, was ich sonst machen soll. Schließlich sind japanische Kücken nicht dafür eingerichtet, Braten herzustellen, ganz zu schweigen davon, dass ich eh keine Ahnung habe, wie das geht. Und man kann hier wahrscheinlich auch keinen Braten kaufen. Die Fleischkloppse waren auch recht einfach, ich war aber trotzdem stolz, ganz besonders auf die Soße, ich habe zum ersten Mal in meinem Leben Soße mit Mehl eingedickt, glaube ich. Ich habe in Deutschland immer nur Kuchen gebacken... So konnte ich also meiner Gastfamilie die Deutsche Küche ein bisschen näher bringen. Ich hatte ja eigentlich vor, ihnen auch grüne Soße zu kochen (Frankfurter Spezialität!) aber leider ist erstmal die eine Hälfte der Kräuter durch Überwässerung eingegangen, obwohl ich ständig sagte, dass sie nicht so viel Wasser brauchen, und dann die andere Hälfte dadurch, dass Obaasan sie unglücklicherweise in die pralle Sonne gepflanzt hat.

So viel erstmal zum Thema Essen und zu allem anderen auch. Jetzt ist es wenigstens ein bisschen fröhlicher geworden. Bitte entschuldigt möglicherweise vorhandene Rechtschreib- und Grammatikfehler, mein Deutsch ist sowieso nicht mehr das beste und es ist halb ein Uhr nachts.

Pauline

Mittwoch, 21.01.2015

#47 Japanisches Neujahr

Ein grauer Tag. Am Morgen schneite es noch, feine Flocken, die man fast nur sah, wenn sie auf unseren schwarzen Mänteln fielen und die schmolzen, sobald sie den Boden berührten, die aber ein prasselndes Geräusch auf den Blättern von Büschen und Bäumen verursachten. Ab Mittag dann Regen. Und laut Wetterbericht 6grad, wahrscheinlich der kälteste Tag bisher. Nach vier lief ich im Regen meinen Freunden hinterher zum Bahnhof. Sie redeten darüber, wie fertig sie sind. Wir alle schlafen im Unterricht ein. Darüber dass sie nichts verstehen. Selbst die, die bisher ohne Nachhilfeschule ausgekommen ist, hat jetzt beschlossen, doch zu gehen, einmal die Woche von 6 bis 9Uhr abends. Darüber, dass sie nicht wissen, wie sie alles schaffen sollen, dass ihre Zeit nicht reicht. Ich wünsche mir auch Zeit. Zeit um ganz normale Wochenenden mit meiner Gastfamilie verbringen zu können. Zeit um zum Aikido zu gehen. Zeit um mich mit Freunden zu treffen. Zeit um japanisches Essen zu genießen. Zeit um zu lesen, Tagebuch zu schreiben, spazieren zu gehen, mit Riki zu spielen. Zeit um zu schlafen. Ich bin wirklich so extrem müde. Ich schlafe um elf und kann mich in der Schule trotzdem nicht wachhalten. Aber ich hatte auch schon ewig keinen freien Tag. Mir wird oft gesagt, ich solle die restliche Zeit hier genießen, und das versuche ich, was zur Folge hat, dass ich selbst am Wochenende immer von morgens bis abends beschäftigt bin. Ich kann gar nicht mehr daran erinnern, wann ich zum letzten Mal ausgeschlafen habe. In den Sommerferien? Ich versuche, auch die Zeit alleine zu genießen. Auf dem Heimweg schaue ich mir alles genau an, den Weg, den ich jetzt schon so gut kenne. Wie oft ich wohl schon über die Brücke gelaufen bin? Da gibt es die Löcher im Zaun, durch die man winken kann. Die Palmen, immer noch ein Zeichen dafür, dass ich weit weg bin. All die vertrauten Hauseingänge, die Strommasten und Appartmenthäuser. Wenn ich irgendwann mal wieder nach Yokohama komme, an was werde ich mich dann noch erinnern können? Was wird überhaupt noch da sein? Schon jetzt weckt es ein wehmütiges Gefühl in mir, als wären es jetzt schon nich mehr als Erinnerungen.

Aber egal, wie schwer mir der Abschied hier fällt, ich freue mich inzwischen wirklich darauf, wieder nach hause zu kommen. Ich würde vielleicht nicht sagen, dass 11 Monate lang genug sind, eher, dass ich ja von vornherein wusste, wann das Ende sein würde, und so viel Zeit hatte, um mich daran zu gewöhnen. Und jetzt wird meine Freude mit jedem Tag größer. Ich freue mich auf meine Familie, darauf Freunde zu treffen, auf deutsches Essen, mein Haus, Frankfurt. Ich freue mich darauf, nicht mehr den Unterricht hier besuchen zu müssen, der mir gerade richtig zum Hals raus hängt. Ich freue mich auf Ironie und manche Verhaltensweisen, die es hier nicht gibt.

 Neujahr

Der erste Brauch zu Neujahr ist, dass man das Haus putzt. Ich hatte das Glück, nur für mein Zimmer verantwortlich zu sein, aber selbst damit bin ich leider nicht fertig geworden. Es hat einfach Ewigkeiten gebraucht, um all die Arbeitsblätter und so Zeug zu sortieren. Außerdem stellt man sich ins Haus einen Turm aus O-Mochi mit Manderine oben drauf. O-Mochi wird aus zerstampften Reis hergestellt, es ist lecker aber etwas schwer zu essen, weil es extrem zäh ist. Zu Neujahr ist man es in allen möglichen Variationen (gebraten mit Soyasauce und Nori, gebraten mit irgendwas, in einer Suppe) und angeblich sterben jedes Jahr eine Menge Leute, weil sie daran ersticken. Vor die Haustür stellt man sich Schmuck aus Bambus und Blättern. Am 31. bleibt man bis Mitternacht auf. Man isst meistens Soba, dass sind lange Nudeln aus Buchweizenmehl (glaub ich). Es ist nicht so ganz klar, aber wahrscheinlich entstand dieser Brauch, weil sie lang sind und so ein langes Leben verkörpern sollen. Ein anderer, noch wichtigerer, wenn auch nicht so traditioneller Bestandteil des 31. ist das Fernsehen. Es gibt mindestens zwei berühmte Sendungen, die eine ist eine Art Gesangswettbewerb, die andere ist eine Art Rollenspiel, in der ungefähr 5 Leute auftreten, die nicht lachen dürfen, und geschlagen werden, wenn sie es doch tuen. Beide dauern um die 6 Stunden und es ist klar, dass man fernsieht. Silvester ist hier zwar wichtig, aber ziemlich still. Nichts von wegen mit Freunden feiern oder Spiele spielen oder so. Um Mitternacht werden die Glocken an jedem Schrein 108 Mal geläutet und so bald sie wenigstens einen Schlag davon gehört haben, schlafen viele. In Yokohama gibt es zusätzlich noch den Brauch, dass die Schiffe im Hafen um 12 Uhr tuten. Feuerwerk gibt es jedenfalls nicht. An Neujahr isst man dann O-Sechi-Ryouri. Das ist ein art Riesen-Bento (Bento=Lunchbox), in der eine Menge Dinge sind, die man normalerweise nicht isst. Es gibt Sashimi (Rohen Fisch) und viele andere leckere und teure Dinge, aber auch traditionelle, die kaum jemandem schmecken. Früher aß man O-Sechi mindestens 3 Tage lang, weshalb es auch als Bento hergestellt wurde. Außerdem trinkt man ein bisschen japanischen Schnaps, auch Kinder (und er schmeckt überhaupt nicht gut!). Und Kinder bekommen von ihren Verwandten Geld geschenkt. Als wir es von Otoosan bekamen, knieten wir uns hin und verbeugten uns kniend und sagten richtig höflich "あけましておめでとうございます。今年もよろしくお願いします" Es war ein etwas seltsames Gefühl. Früher waren die Geschäfte nach Neujahr mindestens einen Tag geschlossen (deshalb auch das Bento-Essen), aber in den letzten Jahren hat selbst das nachgelassen, so dass jetzt alle großen Geschäfte selbst am 1. 1. ab morgens um zehn geöffnet sind. Das ist wichtig, denn ein weiterer wichtiger Bestandteil Neujahrs sind Fuku-Bukuro (Reichtums-Tüten). Das sind Tüten, die man praktisch überall kaufen kann, selbst beim Bäcker, und von denen man nicht weiß, was drin ist. Man kann also zum Beispiel Kleider im Wert von 20000 yen für 10000 yen kaufen. Wenn einem alles gefällt, hat man Glück, man kann aber natürlich auch ziemliches Pech haben. Inzwischen kann man sich aber angeblich sogar schon die Kleidergrößen aussuchen. Ich habe mir jedenfalls keine gekauft, ich war stattdessen mit Shiori, Okaasan undObaasan im Kino, was sehr untypisch für Neujahr ist. Wir haben den "Hobbit" gesehen, den Shiori und Okaasan gerne sehen wollten. Ich wurde praktisch mitgeschleppt und Obaasan kam mit, weil ihr im Haus so langweilig war, weil ja überhaupt nichts Schönes im Fernsehen kam. Japaner sind so extrem abhängig vom Fernsehen. Das ist eins der Dinge, die ich nicht vermissen werde. Am 2. Januar gingen wir zu einem Schrein, zur hatsumode, dem ersten Schreinbesuch im neuen Jahr. Da wir morgens gingen, was es noch "leer", aber auf dem Rückweg sahen wir, wie die Leute ewig anstanden. Dabei war es wirklich kalt, aber die meisten wollen halt gerne innerhalb der ersten zwei drei Tage gehen. Man betete und konnte eine Menge Glücksbringer kaufen und Orakel-Zettel ziehen. Ich habe das Allerbeste gezogen! Danach gab es ungefähr eine Woche Schulferien, aber Feiertage gibt es eigentlich nicht. Am 7. Januar oder so isst man Reisbrei. Reisbrei isst man normalerweise, wenn man krank ist, aber an diesem Tag macht man sieben bestimmte Kräuter rein und es soll dazu dienen, den Bauch zu heilen, nachdem man über Neujahr so viel gegessen hat. Irgendwann demnächst isst man dann noch mal Mochi in einer süßen Anko-Suppe, so weit ich weiß.

Unser Hausschrein mit (fake) Mochiberg Schmuck wie man ihn vor Haustüren findet Bei der hatsumode Glücksbringer Ein Riesenglücksbringer für über 200 euro

Pauline

Freitag, 16.01.2015

#46 Das Ende rückt näher...

Frohes neues Jahr! 明けましておめでとう!

Ich lasse ein bisschen nach, was die Häufigkeit meiner Blogeinträge angeht, wie mir scheint. Eigentlich glaube ich, lasse ich bei fast allem nach, ich schreibe nicht mehr so viel Tagebuch, ich mache meine Hausaufgaben nur noch manchmal und höre auch im Unterricht nicht zu. Ich bin irgendwie ziemlich müde, und am Dienstag dachte ich mir, dass ich gerne Ferien hätte, nur um zu merken, dass es erst der dritte Schultag war. Ich hatte ziemlich schöne Ferien, aber auch ziemlich anstrengende und vollgestopfte. Ich bin praktisch so viel es ging mit Freunden weggewesen*, und an den wenigen freien Tagen war ich auch immer beschäftigt. So kam es, dass ich während der zwei (?) Wochen nur ungefähr fünf Seiten gelesen habe, obwohl ich vor den Ferien in zwei Wochen ungefähr hundert Seiten gelesen hatte. Ich habe das "doppelte Lottchen" auf Japanisch gelesen, und jetzt lese ich einen japanischen Roman für Kinder. Die meiste Zeit war ich übrigens mit aufräumen beschäftigt. Mein Zimmer ist so extrem chaotisch, ich gebe es zu. Ich habe auch endlich Pakete heimgeschickt, und ich muss noch mehr heimschicken, es ist immer noch viel zu viel! Dabei habe ich mir echt nichts gekauft! Ich verstehe nicht, warum ich so viel Zeug habe... In meinem Zimmer türmt sich auch Papier, Arbeitsblätter aus der Schule. Ich habe das Meiste weggeworfen, aber irgendwie fällt es mir schwer. Ich meine, in Deutschland habe ich nicht wirklich Verwendung dafür, aber irgendwie sind es halt doch Erinnerungsstücke. Jedenfalls ja, das Ende rückt jetzt immer näher. Ich kann mir nicht vorstellen, in vier Wochen wieder in Deutschland zu sein. Noch ein paar Tage, und es sind nur noch drei Wochen, das heißt so lang wie Weihnachtsferien (in Hessen). Selbst wenn ich das jedem sage, selbst wenn ich über Gepäck nachdenke und versuche, genau zu planen, was ich in dieser Zeit noch machen will/muss/kann, verstehe ich eigentlich nicht, was das bedeutet. Genau wie ich vor einem Jahr auch nicht verstand, was es bedeuten würde, für ein Jahr weg zu sein. Nur dass ich vor einem Jahr wusste, dass ich wieder zurückkehren würde. Ich weiß, dass schreibt wahrscheinlich jeder Austauschschüler gegen Ende mal, aber diesmal weiß ich eben nicht, ob ich wieder zurückkommen werde. Natürlich, irgendwann werde ich noch mal nach Japan fahren. Irgendwann werden mich Freunde in Deutschland besuchen. Irgendwann werde ich meine Gastfamilie, meine Freunde, vielleicht auch meine Lehrerin wieder treffen, ich werde wieder japanisches Essen essen und all die Wege, Läden und Orte wieder besuchen. Aber ich werde nie wieder Schülerin an der Yokofuta sein und ich werde nie mehr in meinen jetzigen Alltag zurückkehren. Was meinen Alltag ausmacht, sind ja nicht nur meine Gastfamilie und meine Freunden, sondern auch die Tennisclubmitglieder, denen ich morgens zuwinke, das Orchester, dessem Klang ich lausche, während ich die Treppe hochsteige, die Theaterclubleute, die im Flur üben, die Mädchen aus dem Volleyballclub, mit denen ich Volleyball spiele, und all die, die mir zu lächeln, mich grüßen, mit denen ich ein paar Worte wechsel, von denen ich aber im Allgemeinen nicht einmal den Namen weiß. Aber sie sind halt da, ich erkenne ihre Gesichter und es macht mich glücklich, wenn sie mich anlächeln und mit mir reden. Und all diese Leute, werde ich bestimmt nicht mehr treffen. Ich dachte ja, ich hätte immer recht negativ über meine Schule gesprochen, auch bei unseren AFS-Orientations. Deshalb hat es mich etwas erstaunt, als mir die LP von irgendwem schrieb, meine Schule habe ja gut zu mir gepasst. Laut meinem Gastvater ist das japanisches Verhalten, dass man positiv über eine Sache spricht, obwohl man weiß, dass es anders ist. Auch meine Gastmutter sagte aber, ich habe Glück mit meiner Schule gehabt. Und ich glaube, sie hat recht damit. Ich bin schon recht schüchtern. Jetzt vielleicht nicht mehr so stark wie früher, aber ich erinnere mich an die Willkommensparty, die es für uns gab, und damals war ich wirklich noch sehr schüchtern. Wenn ich mich allerdings an den Schulanfang zurückerinnere, habe ich das Gefühl, mich von Anfang an Wohl gefühlt zu haben. Dabei konnte ich ja kaum Japanisch reden, weshalb es etwas seltsam scheint. Aber das ist vielleicht der Verdienst meiner Schule. Mädchenschulen sind anders als andere Schulen. Zwar finden es wahrscheinlich alle Schülerinnen von Mädchenschulen irgendwann mal blöd, auf einer Mädchenschule zu sein, aber eigentlich ist die Stimmung sehr schön. Fröhlicher, offener, verrückter. Austauschschüler auf gemischten Schulen erzählen öfters, dass kaum jemand mit ihnen redet oder so. Meine Schule ist vielleicht nicht so verrückt wie andere Mädchenschulen, ein bisschen ernster, aber ich musste mich nie anstrengen, um nicht alleine zu sein. Es sind immer alle auf mich zu gegangen, selbst nach Wochen hat ihr Interesse an mir nur so weit nachgelassen, dass es mir nicht mehr auf die Nerven ging, ich musste am Anfang, als ich noch nicht reden konnte, nur lächeln, und habe so viele Freunde gefunden.

Letzte Woche war übrigens schon die letzte Orientation. Wir haben von Samstag auf Sonntag übernachtet und es war sooo lustig! Am Samstag hatten wir eine normale Orientation mit viel Reden, so wie immer. Am Abend waren wir fünf Austauschschüler und vielleicht 15 Studentvolontäre. Ich mag sie inzwischen alle so gerne! Leider musste ich aber den Großteil der Zeit damit verbringen einen Brief an meine Gastfamilie zu schreiben. Den las ich am Sonntag vor, als es erst die Verabschiedung der Japaner gab, die im Februar ihr Austauschjahr anfangen, und dann die Verabschiedung von uns. Das war sehr traurig. Ich dachte, ich würde garantiert in Tränen ausbrechen, ich brach ja schon beim Üben fast in Tränen aus, genau wie die Volonärin, die mir half. Aber beim Vorlesen war es dann okay, ich hatte allerdings davor schon geweint, als wir Geschenke von den Volontären bekamen. Jeder dachte aber, dass ich weinen würde, weil ich nicht mit Mikrofon sprechen kann...

Ich beantworte bald mal die Fragen nach Neujahr und alles mögliche, will auch irgendwann noch mal Fotos von Kyoto einstellen, aber das mache ich nicht jetzt... Nur eine Frage an Vanessa: Ist das "ne" am Satzende irgendein Deutscher Dialekt, oder lernst du jetzt doch schon Japanisch? Ich wünsche dir viel Spaß bei der Länderspezifischen-VB, bei mir war sie superlustig!

Heute waren in der Schule 19 Koreaner, denn meine Schule macht jedes Jahr einen Kurzaustausch mit einer Schwesterschule in Korea (und auch mit Schwesterschulen in anderen Ländern). Ich halte es für eine gute Sache, das Verhältnis zwischen Japan und Korea auf diese Weise vielleicht ein bisschen zu verbessern. Zwei der Mädchen waren auch in meiner Klasse. Das veranlasste viele in meinem Jahrgang zu der Bemerkung, dass unsere Klasse ja jetzt so unglaublich international sei. Was soll ich dazu sagen..? Ich wurde auch gefragt, ob ich schon mal mit Koreanern geredet habe. Das bin ich mir tatsächlich nicht sicher, aber ich habe auch noch nie darüber nachgedacht. Hier denke das aber viele bewusst: "das erste Mal, dass ich mit einem Koreaner rede", "das erste Mal, dass ich einen Paraguayaner treffe"...  

Pauline

*Ich finde, man sollte im Deutschen das Wort asobieren einführen. Das bedeutet spielen, freihaben, spaßhaben... Wenn man sich also mit Freunden trifft, sagt man, dass man mit ihnen asondiert (Ich habe das Wort selbst an die deutsche Grammatik angepasst, eigentlich heißt es asobu oder asonde iru). Ich finde, es ist ein sehr praktisches Wort und schwer zu übersetzen.