Berichte von 03/2015

Sonntag, 08.03.2015

#49 Wieder da

Hallo

Es ist so viel Zeit vergangen, und natürlich bin ich jetzt schon wieder zurück in Deutschland, heute ist es ein Monat. Ich hätte gerne wenigstens noch einmal in Japan geschrieben, aber ich hatte null Zeit. Auf jedenfall will ich nicht, dass irgendjemand denkt, dass ich so genervt, wie ich es war, als ich den letzten Eintrag schrieb, auch heimgefahren bin. Ja, es gab manche Dinge, die mich mit der Zeit mehr genervt haben, und das hat sich etwas angestaut und so habe ich diesen Eintrag geschrieben. Aber im Allgemeinen ging es mir auch am Ende immer noch gut und ich habe die letzten Tage oder Wochen in Japan wirklich genossen, ich hatte halt nur viel zu tun.

Die letzten drei Wochen

Nach der Orientation, von der ich im vorletzten Eintrag schrieb, blieben mir noch 3 Wochenenden. Aikido, mit einer Freundin treffen, Kuchen backen, mit denen aus dem Teezeremonieclub essen gehen, in das Restaurant von Nu-Leks Gastfamilie gehen, wo wir mehrmals waren, mit meiner Gastmutter einkaufen, Aikido, mich mit einer Freundin treffen, mit meiner Gastfamilie essen gehen, mit Freundinnen aus dem Wander-club essen gehen, zum Karaoke gehen. Und dazwischen noch packen, Gepäck verschicken, Reden schreiben. Unter der Woche hatte ich ganz normal Schule. Nur dass ich anfing, zu zählen, wie oft ich noch in welchen Club würde gehen können. Dass mir irgendwann auffiel, dass ich nur noch zweimal Mathe haben würde (leichte Freude). Aber gleichzeitig natürlich auch nur noch zweimal Sport. Sport war eines der lustigsten Sachen in den letzten Wochen. Oder das Kochen. Wir fingen auch wieder an, in den Pausen Volleyball zu spielen, weil ich es wollte. Ich schrieb an meinen Abschiedsreden. Und neben den Listen für die Geschenke, die ich mit nach Hause nehmen wollte, kamen immer länger werdende Listen von Dingen, die ich noch machen musste und von Leuten, denen ich Briefen schreiben wollte. Am 27. Januar war ich zum letzten Mal im Teezeremonieclub, zwei Tage danach gab es in der Mittagspause noch mal eine Versammlung, in der ich Briefe und Fotos bekam und eine Rede hielt. Wir weinten. Am Morgen danach musste ich eine Rede vor der gesamten Schule halten. Ich hatte mir ewig Gedanken gemacht und war trotzdem nicht fertig geworden. Ich bekam einen Nervenzusammenbruch, nicht zum einzigen Mal, und meine Gastmutter versuchte, mich zu trösten. Aber die Rede wurde gut, glaube ich. Weil es regnete, wurde es über Lautsprecher in die Klassenzimmer übertragen. Als ich fertig war, rannte ich durch die menschenleeren Gänge die Treppe hoch und als ich in mein Klassenzimmer kam, wurde geklatscht.

Die letzten zwei Tage

Ich fuhr am 8. Februar. Zwar kommt man von Yokohama aus in knapp 2 Stunden zum Flughafen, aber da die Fahrt letztes Jahr so chaotisch war, mussten wir dieses Jahr mit allen anderen Austauschschüler in einem Hotel übernachten. Das hieß, dass ich mich am Samstag von allen verabschieden musste. Also beschloss ich, am Freitag nicht mehr in die Schule zu gehen. Und am Montag und Dienstag war schulfrei (ins Bürgeramt gehen, zu Freunden gehen, zu Nu-Leks Restaurant gehen, mich mit einer Freundin treffen). Also blieben nur zwei Tage Schule übrig. Ich glaube, es waren die vollsten und stressigsten Tage im ganzen Jahr. Ich war nur am Rennen, Reden, Fotos machen, Reden, Rennen............. Am Mittwoch im LHR gab es eine Abschiedsfeier für mich von meinem Jahrgang. Das Orchester spielte, der Chor sang für mich, Fotos wurden gezeigt und es gab Reden. Ich war wirklich überwältigt. Natürlich hatte auch ich über eine Rede nachgedacht, aber als ich sah, was sie alles für mich gemacht hatten, und hörte, wie herzlich alle über mich redeten, kam es mir vor, als ob meine Rede überhaupt nicht ausreichen würde. Ich aß zum letzten Mal mit meinen beiden Freundinnen zu Mittag, wobei ich nicht mal aß, weil ich so viel redete. Am Abend ging ich mit Geschenken voll beladen heim, vollkommen platt, aber irgendwie auch glücklich, auf irgendeine Art. Ich buk Kuchen für meine Klasse und schrieb ihnen Karten. In meiner Klasse waren immerhin 47 Leute und meinen Freunden schrieb ich längere Briefe. Das hatte zur Folge, dass ich Dienstag und Mittwoch kaum schlief. Am Donnerstag hatte ich noch weniger Zeit. Am Morgen hielt ich die letzte Rede, diesmal vor den Lehrern. Dann Unterricht, am Ende ein paar Minuten Abschiedsfeier in meiner Klasse, Abschiedsworte vor den anderen Klassen, Packen, zum Schulleiter gehen. Und wir weinten. Wir weinten so viel, aus Trauer und später auch noch aus Wut auf meine Lehrerin. Mit dem Schulleiter gab es Missverständnisse darüber, um wie viel Zeit unser Treffen war. Und dann entschieden Freunde aus dem Wanderclub mit Freunden aus dem Teezeremonieclub, dass ich nicht nur zum Wanderclub gehen würde, wie ich es vorhatte, sondern auch noch zum Teezeremonieclub. Dadurch hatte ich noch mehr Stress. Wieder ging ich vollbeladen und platt heim. Nur diesmal war da keine Freude darüber, wie viel Glück ich doch mit meiner Klasse gehabt hatte, sondern mir war nur noch zum Heulen zu Mute. Ich hasste es, dass meine Freunde so über meinen letzten Tag entschieden hatten, dass es Missverständnisse mit meiner Lehrerin gegeben hatte und ich mich nicht mal von ihr verabschiedet hatte, dass jeder tausend Fotos hatte schießen wollen, dass ich meine Hausschuhe vergessen hatte, dass es zu ende war. Und vor allem, dass es, obwohl ich meinen Freunden zigtausendmal Tschüss gesagt hatte, keinen richtigen Abschied gegeben hatte, weil ich am Ende rennen musste. Meiner Gastfamilie ist es zu verdanken, dass ich beschloss, am Freitag noch mal zum Club zu gehen. Ich hatte viele Zweifel, dachte mir, dass es komisch sei, gleich wieder in die Schule zu gehen, wo ich mich doch gerade von allen verabschiedet hatte. Aber es war eine gute Entscheidung. Noch mal meine Uniform anziehen, bei herrlichem Wetter zum Bahnhof und dann zur Schule laufen. Natürlich waren alle extrem überrascht. Aber es war schön. Keine Fotos und kein Weinen. Ich redete ein bisschen mit meiner Lehrerin und ging zum Wanderclub. Meine Senpai hatten oft gesagt, dass ich mir Spiele aussuchen dürfte und so, weil ich ja schon bald heimführe. Aber dann fand ich es wunderschön, einfach noch einmal mit meiner einen Freundin zusammen 8 Runden zu rennen, so wie ich es immerhin monatelang dreimal die Woche gemacht hatte. Wir trödelten so rum, dass wir als allerletzte die Schule verließen. Immer noch kam es mir unglaublich vor, dass das wirklich das letzte Mal sein sollte, aber ich war froh, noch einmal zur Schule gegangen zu sein. So dass wir uns mit einem Lachen verabschieden konnten.

Heimfahrt

Zuhause aßen wir Sushi, zur Feier des Tages, und dann half mir meine liebe Gastmutter bis nachts um 12 dabei, meinen Koffer zu packen. Am Flughafen erfuhr ich, dass er 22,6kg schwer war, bis zu 23kg sind erlaubt. Am Samstag brachte noch ein letztes Paket zur Post, dann aßen wir Tempura und vertrödelten die Zeit, bis wir zum Bus mussten. Und weinten mal wieder. Während alle im Bus schliefen, redeten Nu-Lek und ich wie Wasserfälle. Dann kamen wir ins Hotel, wo 190 Austauschschüler waren. Und wo viel zu viel Englisch und Deutsch geredet wurde. Ich wollte immer noch Japanisch reden. Wir redeten und ein paar packten und wir schliefen kaum. Um halb sechs dann aufstehen und zum Flughafen und einchecken und durch die Passkontrolle und dann stundenlang warten. Und mir ging Deutsch und viele der Deutschen so auf die Nerven! Ich fragte mich, wie ich es in Deutschland aushalte sollte, wenn alle Deutschen so wären wie sie.

Es war ein bisschen seltsam, als das Flugzeug abhob, ein bisschen traurig, aber nicht so richtig, irgendwie hatte ich ihn dem Tag, seit ich mich von meiner Gastfamilie verabschiedet hatte, schon ganz gut mit Japan abgeschlossen. Der Flug war ruhig, ich schlief viel und machte Fehler, in dem ich die falschen Stewardessen auf den falschen Sprachen ansprach. Wir landeten früher als nach Zeitplan, als auf den Monatoren stand, dass es noch mehrere Kilometer bis Frankfurt seien. 

Wieder da

Ich weiß nicht genau, wie es war, wieder zurück zu sein. Ich glaube, dass was mich am Meisten erstaunte war, dass fast alles noch genauso war, wie vor einem Jahr. Und wie unglaublich schnell ich mich wieder einlebte. Viele fragten mich, ob es mir schwer falle, mich wieder einzuleben, aber ich empfand es selbst nie als schwer. Schon ein oder zwei Tage nachdem ich wiedergekommen war, kam mir das Jahr in Japan vor wie ein Traum und das fand ich traurig. Das einzige, was mir bis jetzt schwer fällt, ist, dass ich mich automatisch auf Japanisch entschuldige, wenn ich zum Beispiel mit jemandem zusammenstoße. Oder auch in manchen anderen Situationen fällte es mir einfacher, den japanischen Ausdruck zu finden, als den Deutschen. Allerdings habe ich auch gemerkt, wie unglaublich schnell ich anfange, Japanisch zu vergessen, und noch keine richtige Gegenmaßnahme dagegen gefunden.

Ich bin auf jedenfall froh, mich für das Jahr in Japan entschieden zu haben, obwohl ich am Anfang große Zweifel hatte. Vor allem im Nachhinein denke ich, dass es gar keine richtig schweren Zeiten gab. Aber wenn ich genau darüber nachdenke, gab es natürlich Zeiten und Situationen, in denen ich mich alleine oder überfordert gefühlt habe. Ich fand es selbst manchmal überraschend, was ich alles alleine geschafft habe. Und auf der anderen Seite fand ich es auch überraschend und toll, zu erleben, wie viele Leute mir helfen und dass ich eben doch nie, selbst in der Anfangszeit, ganz alleine war. Natürlich gab es viele langweilige und nervige Dinge, aber die lustigen und schönen haben mit Abstand überwogen! Ich weiß noch nicht, mit wie vielen Freunden ich es schaffen werde, über einen längeren Zeitraum Kontakt zu halten, oder wen ich jemals wieder sehen werde. Aber nur indem ich mich an so viele schöne Tage, nette Leute oder lustige Begegnungen zurückerinnere, komme ich zu der Überzeugung, dass es sich gelohnt hat. Es war eine großartige Zeit!!!

Das hier soll jetzt nicht zwingend der letzte Eintrag dieses Blogs sein. Nächstes Wochenende ist zum Beispiel die erste Nachbereitung, und vielleicht ergibt sich ja dort, oder auch irgendwann sonst, etwas, von dem ich hier berichten will. Außerdem könnt ihr mir natürlich auch gerne weiterhin Fragen stellen, falls es etwas gibt, was ihr gerne noch wissen wollt. Auf jedenfall danke, dass ihr meinen Blog bis jetzt immer gelesen und kommentiert habt!!

Pauline