Montag, 20.10.2014

#39 Besser spät als nie - AFS-Sommercamp

Hallo!

Ich habe mich länger nicht mehr gemeldet. Und das nicht, weil hier nichts spannendes passieren würde oder so, sondern eher, weil viel zu viel passiert. Dabei würde ich gerne öfter und dafür kürzer schreiben. Es macht viel mehr Spaß, von kleinen Details im Alltag zu berichten, als immer nur die Erlebnisse der letzten Wochen grob nachzuholen. Aber etwas anderes bleibt mir wohl nicht übrig, denn wenn ich nicht erkläre, was ich die ganze Zeit gemacht habe, wird mein Blog am Ende recht unverständlich, fürchte ich. Sieht man ja am Beispiel AFS-Sommercamp. Mir wurden dazu so oft Fragen gestellt und auch beim Lesen des letzten Eintrags haben sich bestimmt wieder einige gewundert, was es mit diesem Camp jetzt eigentlich auf sich hatte. Also werde ich jetzt endlich mal - besser spät als nie - vom AFS-Sommercamp erzählen.

Die beste Gruppe der Welt

Das Camp war in Shizuoka in der Nähe des Fuji-san und dauerte von Donnerstag bis Sonntag. Es war eigentlich das Camp des Chapters Kanagawa (meinem Chapter), aber da wir hier nur fünf Austauschschüler sind, kamen auch welche aus anderen Chaptern, so dass wir 18 Austauschschüler waren, darunter drei Deutsche. Außerdem kamen 42 normale japanische Schüler, die sich aus unterschiedlichen Motiationen dazu angemeldet hatten, und 21 Betreuer, Studenten, und da es ja mein Chapter-Sommercamp war, kamen sie fast alle aus Yokohama, so dass ich sehr viele schon kannte. Es war sehr schön, manche nach fünf Monaten wieder zu treffen. Das ganze Sommercamp war sehr schön. Wenn ich danach gefragt wurde, wie es war, sagte ich, dass wir erst zwei Tage Spaß hatten, und dann zwei Tage weinten, weil wir noch nicht wieder heimfahren wollten. Das ist vielleicht ein kleines bisschen übertrieben, aber dass wir alle weinten stimmt schon. Ich weiß nicht, wie AFS Japan das macht, aber so weit ich es bisher mitbekommen habe, haben die ein riesiges Talent darin, Gruppen zusammen zu schweißen. Das war schon in Tokyo so, wo wir und vor allem die Betreuer nach den zwei Tagen auch weinten. Aber da war es eine besondere Situation. Wir waren alle Austauschschüler, fertig vom Flug, aufgeregt, nervös... Und die Betreuer erinnerten sich wahrscheinlich sehr an ihr eigenes Auslandsjahr zurück, daran, wie sie sich am Anfang gefühlt hatten, und fragten sich wahrscheinlich auch, was wir alles erleben werden und wie wir uns verändern werden. Aber diesmal waren die meisten ja normale Schüler und wir Austauschschüler haben uns ja inzwischen schon ziemlich eingelebt. Ich dachte, vielleicht ist das in Japan irgendwie normal so, aber Shiori hatte eine Woche nach mir eine Orientation für ihren eigenen Austausch nächstes Jahr, und als sie heimkam, war sie in genau der gleichen Stimmung wie ich. Auf dem Orientations und beim Camp wird man in kleine Gruppen aufgeteilt, wir waren zehn Schüler und drei Betreuer, die man noch nie im Leben gesehen hat (ich die Betreuer schon). Und dann verbringt man drei oder vier Tage zusammen und am Ende denkt man nur noch "meine Gruppe war soooo toll! Sie war die allerbeste Gruppe! Wie kann das denn sein, dass meine Gruppe so toll war!?" Bei mir war es so und bei Shiori auch, und Shiori war darüber genauso erstaunt wie ich, so dass es wohl nichts normales ist. Es liegt warscheinlich daran, dass man sich die Gruppe nicht aussuchen darf und wirklich darauf geachtet wird, dass man nicht mit Bekannten zusammen ist. Und daran, dass man wirklich die ganze Zeit zusammen verbringt. Im Gegensatz zu Freizeiten in Deutschland, wo die kleinen Gruppen ja mit Absicht oft gemischt werden, gab es hier nur einen einzigen Vormittag, an dem wir mit anderen Leuten zusammen waren, und auch beim Essen saßen wir in den Gruppen. Und die Freizeit wurde sehr sehr knapp gehalten, was ich schon etwas schade fand, weil wenn man jemand fand, der die gleichen Interessen hat wie man selbst, hatte man fast keine Zeit, sich darüber zu unterhalten. Aber so kam es dann halt, dass es auch nach vier Tagen noch Leute gab, von denen ich das Gefühl hatte, sie noch nie gesehen zu haben, aber in unserer Gruppe, der rosa Gruppe 4, fühlten wir uns sehr zusammengehörig.

Frieden = ?

Was wir dann in dieser Gruppe machten waren zum einen Bewegungsspiele - Wettkämpfe gegen die anderen Gruppen, Wasserspiele, eine Ralley, draußen über Feuer kochen - außerdem gab es aber auch Gespräche. Am ersten Tag zum kennenlernen, am zweiten Tag darüber, was uns wichtig ist, am dritten Tag über Frieden. In dem Gespräch darüber, was uns wichtig ist, fiel mir auf, dass fast alle über ihren Club sprachen. Der Club ist schon extrem wichtig. Außerdem fand ich es interessant, als ein Junge sagte, dass er es toll gefunden habe, als er sah, dass sich ein paar in seiner Brassband (angeblich ist er in der Junior Band der besten Brass Band japans) um einen Jungen kümmerten, der wegen des vielen Übens zusammengebrochen war. Er klang ehrlich so, als sei das etwas besonderes. Das Gespräch über Frieden war auch ganz interessant. Wir redeten zum Beispiel darüber, welche Farbe wir uns vorstellen, wenn wir an Frieden denken, und darüber, was Frieden bedeutet und was wir uns wünschen würden, wenn wir drei Wünsche hätten, um Frieden zu schaffen. Bei den Wünschen wurde häufig gesagt, dass alle die gleiche Sprache sprechen sollen oder dass alle die gleich Haut- und Haarfarbe haben sollen. Ich glaube, ich war fast die einzige, die widersprach. Mich und vor allem den Jungen aus Dänemark, der in meiner Gruppe war, regte außerdem die Realitätsferne des Ganzen auf. Da wurde zum Beispiel gesagt, dass Frieden bedeutet, dass alle glücklich sind. Oder auch einfach nur "Smile". Und ich dachte "was passiert, wenn deine Großmutter stirbt und du deshalb traurig bist, ist das dann kein Frieden mehr?" Der Däne warf bei "Frieden = kein Krieg" ein, dass das nicht stimmen würde. Er wollte auf Korruption oder Diktaturen oder ähnliches hinaus, was man nicht als Krieg bezeichnet, was man aber auch nicht wirklich als Frieden bezeichnen kann. Leider wurde er nur von mir verstanden. Entweder Japaner haben tatsächlich eine andere Sichtweise als Europäer, oder wir beide sind einfach sehr auf die Realität fixiert.

Andere Austauschschüler

Außerdem hatte er aber auch große sprachliche Probleme (das ganze fand auf Japanisch statt) und in dem Fall konnte auch ich ihm nicht wirklich weiter helfen, genauso wenig wie die Betreuer, deren Englisch wohl auch nicht so richtig gut war. Das war aber auch etwas, was ich sehr interessant fand: die anderen Austauschschüler wieder zu treffen und zu sehen, wie ihr Japanisch ist und wie sie sich eingelebt haben. Es ist extrem unterschiedlich. Da gibt es das eine deutsche Mädchen, mit dem ich mich eine Stunde lang zu zweit auf Japanisch unterhalten habe und das meiner Meinung genauso gut reden kann wie ich, dass aber ständig von AFS gesagt bekommt, es sei zu faul und unter dem Durchschnitt und müsse mehr lernen. Den deutschen Jungen, der mit mir kein Wort Japanisch spricht, nie lernt, extremen Slang spricht, aber sprechen kann, und, das muss man zugeben, auch einigermaßen höflich. Da gibt es viele, die wirken wie die Jungs hier in Yokohama, die nicht perfekt sprechen können und Grammatikfehler machen und so, die aber zurecht kommen und sich verständigen können. Und es gibt die, die auch im August, nach fast fünf Monaten kaum drei Sätze sagen konnten und wahrscheinlich auch von dem Programm nur Bruchteile verstanden und mit denen ich Englisch sprach. Außerdem kann man noch sagen, dass die US-Amerikaner sehr hinter den Deutschen zurücklagen und die Lateinamerkaner aller recht zufrieden wirkten, selbst die, die nicht ganz so gut in Japanisch waren. Natürlich ist das sprachlich Niveau nur ein Teilfaktor davon, wie glücklich die Leute hier sind. Aber man sieht schon einen Zusammenhang. Zum Beispiel bei dem oben erwähnten dänischen Jungen, den ich erst ganz schön nervig fand, weil er jeden Hilfsversuch ablehnte und überhaupt ziemlich abweisend wirkte. Als ich mich aber gegen Ende vermehrt auf Englisch mit ihm unterhielt, war er eigentlich total nett. Ich habe keine Ahnung, wie es ihm in der Schule oder in seiner Gastfamilie geht. Aber ich hatte das Gefühl, dass er extrem frustiert ist und das diese ablehnende Haltung eine Schultzvorkehrung ist, um sich vor noch mehr Frustration zu schützen. Wahrscheinlich versuchen die Leute in seiner Schule ihm auch immer wieder auf Japanisch Dinge zu erklären und weil er es einfach nicht versteht und aufgegeben hat, zu versuchen, sich verständlich zu machen, hat er halt angefangen, "ja ja, okay" zusagen, selbst wenn es offensichtlich ist, dass es eigenlich nicht okay ist. An meinem Geburtstag habe ich ihn aber wieder getroffen, und er wirkte viel fröhlicher und schien sich auch besser verständlich machen zu können (oder er genoss einfach seine Stellung als riesiger blonder Junge inmitten japanischer Mädchen). Am extremsten fand ich ein Mädchen aus Amerika. Ich kannte sie nicht und fühlte mich von ihrem etwas seltsamen Lächeln mit ihren riesigen blauen Augen (sie hatte wirklich irre Augen) am Anfang auch nicht wirklich zu ihr hingezogen. Dass ich anfing, mit ihr zu sprechen, lag eigentlich vor allem daran, dass mir gesagt wurde, dass sie keinen einzigen Freund in Japan habe. Sie hat echt ein großes Problem, denn sie ist so extrem schüchtern. Selbst auf der Freizeit, mit den 21 Betreuern, die immer darauf bedacht waren, die Stillen beim Essen in die Mitte zu setzen und die Schüchternen beim Tanzen vom Rand in den Kreis zu schubsen, selbst da wirkte sie oft alleine. Wenn sich unsere Blicke begegneten lächelte sie ihr seltsames Lächeln, wendete aber sofort wieder ihren Blick ab. Von selbst hätte sie keine zwei Sätze mit mir gewechselt, aber ich setzte mich manchmal nicht zu meinen Freunden sondern zu ihr und fing an, über irgendewelches Zeug mit ihr zu reden. Ich glaube, sie konnte sich auf Japanisch nicht mal richtig vorstellen. Auch bei ihr weiß ich eigentlich nicht, wie es ihr geht in der Gastfamilie oder in der Schule, aber wenn ich sie sah, fragte ich mich, wie sie es eigentlich ausgehalten hat, fünf Monate lang. Eine Ausnahem war dagegen das andere Mädchen aus Amerika, die ebenfalls kaum Japanisch konnte, die aber ziemlich fröhlich war. Sie ist einfach sehr selbstsicher und nett und schafft es auch ohne Worte, dass man sie mag. In dem Fall genauso wie bei dem schüchternen Mädchen hängt es wohl einfach mit dem Charakter zusammen. Aber was das Japanisch angeht liegt viel schon an einem selbst und lässt sich ändern. Natürlich gibt es Leute, die schneller lernen, und welche, die mehr Zeit brauchen. Aber ein bisschen sollte man sich auch einfach fragen, was einem wichtig ist. Ich zum Beispiel schaue ja ständig Fernsehen und selbst Filme, bei denen man es sich aussuchen kann, also "Harry Potter", "Narnia" oder "Fluch der Karibik" zum Beispiel, schaue ich auf Japanisch. Anderer schauen aber sogar japanische Filme in der Englischen Fassung. Ich denke, sich ein bisschen mehr anzustrengen würde sich schon lohnen. Damit meine ich nicht, dass man die ganze Zeit mit Büchern lernen muss wie ich. Man kann auch ständig mit Freunden irgendwas machen und dabei ganz gut Japanisch lernen. Aber es ist (in den meisten Fällen, natürlich gibt es Austauschschüler, auf die das nicht zutrifft) eine Art Kreis: Wenn man viele Freunde und ein gutes Verhältnis mit der Gastfamilie hat, lernt man schneller Japanisch, und je mehr Japanisch man kann, desdo besser kommt man mit Freunden und Gastfamilie klar. Naja, das ganze ist jetzt schon 2 1/2 Monate her, es kann also sein, dass es vielen von ihnen jetzt schon ganz anders (hoffentlich besser) geht.

Lagerfeuer und Abschiednehmen

Außerdem stellten wir Austauschschüler mal wieder unserer Länder vor, was diesmal richtigen Spaß machte, und abends machten alle was zusammen, am zweiten Abend Disko und ein Spiel und Talentshow (gibt es bei AFS irgendwie immer) und am dritten und letzten Abend Lagerfeuer und Reigentänze. Auf das Lagerfeuer hatten sich viele ganz besonders gefreut und so waren wir sehr glücklich, dass es trotz leichten Regenschauern am Nachmittag stattfand. Das Wetter war abgesehen vom ersten Tag auf Grund eines Taifuns (wegen dem mein Clubsommercamp ja verschoben wurde) nicht so besonders toll, so dass wir Fuji-san (Mt. Fuji/Fuji-yama) auch nur am ersten Abend sahen. Was aber nicht bedeutete, dass wir keinen Sonnenbrand bekamen. Wir alle bekamen mehr oder weniger Sonnenbrand und der eine Betreuer erntete viel Spott, weil er aussah wie eine Tomate. Ich sah wahrscheinlich auch nicht so toll aus, aber im Gegensatz zu Japanern bedeutet es bei mir ja nicht unbedingt, dass es wehtut, nur weil es rot ist. Es tat nämlich wirklich nicht weh. Ja, also das Lagerfeuer war am letzten Abend, und es gab eine sogenannte Speakers Corner. Das gab es in Tokyo auch. Bedeutet, jeder der will kann vorgehen und etwas sagen. Diesmal wurden wir von unserer Gruppenleiterin ziemlich gedrängt, vorzugehen, es sei eine tolle Erinnerung. Bis es dunkel war tanzten wir Reigentänze und waren alle schon relativ traurig, weil es der letzte Abend war. Dann gingen wir im dunklen zu dem Feuerplatz, wir trugen alle die gleichen T-shirts, die wir an dem Abend bekommen hatten. Beim Feuerplatz, nachdem wir einen Zauberer durch Geschrei dazu überzeugt hatten, uns das Feuer anzuzünden, weil leider das Feuerzeug vergessen worden war, tanzten wir wieder, und dann konnten wir also sprechen. Es war ziemlich traurig. Jeder bedankte sich und sagte, es sei eine so tolle Zeit gewesen und alle so nett und so weiter. Bei vielen weiß ich gar nicht genau, warum sie sich zu dem Camp angemeldet haben (nur die Austauschschüler waren mehr oder weniger dazu verpflichtet). Es gab einige, die sagten, ihre Mütter habe sie dazu verdonnert. Es gab viele, die sagten, sie hätten Camps und draußen sein und so bisher immer verabscheut. Es gab sehr viele, die sagten, sie hätten bisher nicht gerne in Gruppen gesprochen, wären lieber alleine, seien immer die, die still am Rand sitzen und auf keinen Fall bei einer Speakers Corner etwas sagen. Aber sie alle fanden es toll. Außerdem wurden wir Austauschschüler genannt. Es wurde gesagt, dass sie am Anfang total nervös gewesen seien, niemand gekannt hätten, nicht gewusst hätten, was sie tun sollten und mit wem reden. Und dass sie dann in den Raum gekommen waren, wo wir Austauschschüler gewesen seien, dass wir so offen und freundlich jeden in unseren Kreis aufgenommen hätten, und dass sie sich sofort total wohl gefühlt hätten. Solche Dinge wurden öfters gesagt. Ehrlich gesagt war ich am Anfang auch extrem nervös und hatte überhaupt keine Lust, aber ja, man merkt schon einen Unterschied, zwischen Austauschschülern und Japanern. Eigentlich kommen wir ja auch alle aus anderen Kulturen in denen andere Dinge üblich sind, aber wenn ich mit Austauschschülern zusammen bin, ist es sehr viel mehr so wie in Deutschland, als wenn ich mit japanischen Freunden zusammen bin. Jedenfalls machte es mich glücklich, all das zu hören. Irgendwie dachte ich mir, dass das ja vielleicht zu irgendwas gut ist. Selbst wenn die Diskussionen realitätsfern sind (waren sie bei den Orientations in Deutschland auch schon), wenn in vier Tagen so ein Gruppenzusammenhalt entstehen kann und alle so toll Erfahrungen machen können, dann muss es doch irgendwie gut sein. Ansonsten war das Ganze wie gesagt sehr traurig, weil es ja schon was wie ein Abschluss war, und wir weinten, oder viele weinten. Ich ging auch vor, einerseits, weil unsere Gruppenleiterin ja gesagt hatte, dass es gut sei, und andererseits, weil ich mich an das Gefühl in Tokyo erinnerte, wo ich die ganze Zeit überlegt hatte zu gehen, und jedes Mal war ein anderer eine bisschen schneller aufgestanden und am Ende war es zu ende gewesen und ich hatte immer noch da gesessen und es bereut. Jedenfalls weinte ich auch, mir wird ja sowieso gesagt, dass ich so schnell weine, und ich sagte auf Japanisch ein bisschen und bedankte mich auch und dann war ich sehr glücklich, mich getraut zu haben, aber es wurde ein bisschen dadurch gedämpft, dass ich die Hälfte der Dinge vergaß, die ich sagen wollte (war auch bei meinem Abschied von meiner Klasse so, falls jemand aus meiner Klasse das hier lesen sollte). Danach half ich mit, meine Freunde dazu zu überreden, auch etwas zu sagen, und die von ihnen zu trösten, die danach weinend zusammen brachen. Ich glaube, alle, die sich trauten, etwas zu sagen, waren glücklich darüber. Auch alle (!) Austauschschüler sagten etwas, wenn auch ein oder zwei auf Englisch mit Übersetzer. Am nächsten Tag hatten wir dann noch mal Speakers Corner in unserer Gruppe und diesmal weinten alle, auch die, die sich am Abend zusammen gerissen hatten, auch alle Jungen. Wir redeten ein bisschen und schrieben uns Botschaften auf die neuen T-shirts und es gab die Abschlusszeremonie mit Fotoshow (eine weitere Sache die ich bei AFS-Japan beeindruckend finde: die machen immer richtig tolle Filme und zwar richtig schnell). Wir sangen auch noch mal den Campsong und dann aßen wir Mittagessen und dann mussten wir Austauschschüler gehen. Im Bus und Zug wurden wir dann wieder etwas fröhlicher, ich disskutierte zum ersten Mal seit Monaten über deutsche Schule, und wir bemalten die Gesichter der Schlafenden mit Markern.

Und außerdem...

Was mir noch auffiel war das Japaner seltsam sind, wenn es um Nacktsein geht. Einerseits baden sie zusammen und es ist vollkommen selbstverständlich, dass man das macht, niemand stellt es in irgendeinder Weise infrage. Andererseits ziehen sie sich außerhalb der Umkleide vor dem Bad nicht mal bis auf die Unterwäsche aus, wenn jemand im Raum ist. Selbst wenn nur Mädchen da sind (wie ja auch in der Schule) machen sie es nicht. Sie ziehen immer erst die Sporthose unter dem Rock an und dann den Rock aus. Das finde ich sehr wiedersprüchlich. 

Ach so, nach der Diskussion über Frieden wurde gefragt, wer so etwas in der Art schon Mal gemacht habe. Und ich war die einzige, die sich meldete (der Däne hatte die Frage nicht verstanden, glaube ich). Eigentlich nicht wirklich überraschend, wenn man japanische Schulen kennt, aber trotzdem. Es war genauso, wie wir es in Deutschland in Deutsch, Englisch, Geschichte, PoWi, Religion machen. Aber so was kennen die hier nicht.

Tja, das war jetzt eine sehr lange und sehr auf einzelne Punkte fixierte Darstellung des Camps. Wir machten so viele lustige Dinge, hatten so viel Spaß, redeten, machten Quatsch, spielten... Aber erstens ist das schon so lange her und zweitens sind solche Dinge eh nicht so spannend, wenn man sie nacherzählt. Ich hoffe mal, dass das jetzt einigermaßen spannend war. Fotos habe ich zwar eine ganze Menge, aber erstens bin ich jetzt gerade nach einem ganzen Nachmittag am Computer zu faul, welche rauszusuchen, und zweitens halte ich mich an meinen Vorsatz, keine Fotos von Freunden zu posten, ohne sie vorher zu fragen, selbst wenn ich weiß, dass sie auch Fotos von mir auf Facebook oder Line posten. 

Bis bald mal wieder. Ich habe die nächsten zwei Tage frei, vielleicht schaffe ich es da ja, ein bisschen aktuellerer Dinge zu schreiben.

Pauline

P.S. Bento sind Lunchboxen. Mütter machen sie ihren Kindern für die Schule und man kann sie auch überall kaufen. Angeblich gibt es irgendwelche Regeln dafür, welche Farben rein sollen. In meiner ist meistens Reis und Fleisch in irgendeiner Form und Rührei mit Gemüse und/oder Käse drin und/oder Gemüse mit Speck oder ähnlichem und außerdem ein bisschen Obst. Anderer haben aber auch Suppe oder Curry oder Onigiri (Reisbällchen, dass ist die einfachste Form von Bento). Ich werde bald mal versuchen, ein Foto zu machen, aber das ist meistens schwer, weil ich ja keine Kamera mit in die Schule nehmen darf.