Samstag, 03.05.2014

#16 Golden Week

Jetzt ist also die großartige Golden Week. Wobei sie für mich ehrlich gesagt nicht mehr ist als ein verlängertes Wochenende, ich habe morgen und übermorgen schulfrei und letzten Dienstag war auch frei. Trotzdem, seit mindestens zwei Wochen werden im  Fernsehen besonders schöne Ausflugsziele vorgestellt und alle benehmen sich so, als wären das die wichtigsten Ferien überhaupt. Naja, es sind immerhin auch die letzten Ferien, bis die Sommerferien Mitte Juli oder so anfangen. Und Yutaro hatte auch wirklich länger frei, Otoosan sogar die ganze Woche. Das ist sehr verschieden.

Kamakura

Gestern waren Shiori, Okaasan, eine Freundin von Okaasan und ich jedenfalls in Kamakura. Das war die japanische Hauptstadt bevor es dann Kyoto wurde, glaube ich, und von Yokohama fährt man mit dem Zug eine halbe Stunde. Es gibt dort viele alte Tempel und leckeres Essen und es ist ebenfalls ein sehr beliebtes Ausflugsziel, weshalb es natürlich recht voll war. Zum Glück gingen wir aber schon ganz früh, so dasss wir schon den Kamakura Daibutsu (großen Buddha von Kamakura) und den Hasedera Tempel, der in Wirklichkeit aus vielen kleinen Tempeln bestand, besichtigt hatten, bevor es richtig voll wurde. Otoosan hatte mir vorgestern im Internet ein paar Fotos aus Kamakura gezeigt und gemeint, es werde vielleicht nicht so spannend für mich, mit all den Tempeln und Schreinen, aber ich fand es wirklich toll und interessant. Es war sehr schönes Wetter und außer alten Gebäuden, sah ich auch Bambus und Kiefern, Steingärten, Teiche und wunderschöne Blumen. 

Shiore, ich und der Kamakura Daibutsu  

Der Daibutsu ist innen hohl, dort waren wir auch drin. Da es morgens war, war es noch nicht so voll.

Shiori und ich essen riesige O-sembe

Der Hasedera Tempel

Es gab wirklich sehr viele verschiedene Tempel für viele verschiedene Götter, und ich habe mir nicht alles gemerkt, was Okaasan mir über die alle erklärt hat. Bei jedem Tempel opfert man ein bisschen Geld (ich bin mir nicht sicher, ob opfern wirklich das richtige Wort ist, aber so was in der Art halt). Dann verbeugt man sich. Manchmal klatscht man auch in die Hände. In einem Tempel war es so voll, dass ich beim verbeugen mit dem Kopf gegen irgendeinen Mann stieß. Beim Hasedera Tempel kaufte Okaasan Shiori und mir auch Orakel (??? Ist das das Wort, das ich meine?). Normalerweise knotet man sie an Schnüre, die da hängen, nachdem man sie gelesen hat, aber ich nahm meines mit heim. Okaasan meinte, wenn ich es gerne als Andenken behalten würde, wäre das auch okay. Ich wollte außerdem einfach gerne nochmal lesen können, was da steht, Okaasan sagte mir nämlich nicht alles. 

Der sehr schöne Garten des Hasedera-Tempels mit Wasserspiel aus Bambus 

 

Eine Hochzeit!!

Nachdem wir beim Daibutsu und in dem Hasedera Tempel gewesen waren, gingen wir die Haupteinkaufsstraße von Kamakura entlang, die extrem überfüllt war. Vor manchen Restaurants gab es zigmeterlange Schlangen, die auch noch den ganzen Weg verstopften. Zum Glück hatten wir schon zu mittag gegessen, außerdem davor schon O-Dango (Klößchen aus Reismehl?), O-Sembe (Reiskräcker)  und Takosembe (Kräcker mit Oktupus drin). Wir aßen trotzdem nochmal japanische Süßigkeiten und Crepes und vielleicht auch noch mehr. Dann kamen wir zu einem weiteren Tempel, bei dem wir auch eine Hochzeit sahen, und zwar eine richtig traditionelle, was auch für Japaner etwas besonderes ist. Und dann auch noch während der Golden Week an einem der beliebtesten Ausflugsziele in Kamakura. Natürlich zogen sie unglaublich viel Aufmerksamkeit auf sich. Als sie wieder gingen, wirkten sie wirklich etwas fertig. Ich fand es jedenfalls toll und hätte am liebsten die ganze Zeit fotografiert, aber es kam mir seltsam vor, wildfremde Menschen bei ihrer Hochzeit zu fotografieren, schließlich ist das doch irgendwie auch was privates.  

Das Brautpaar in traditioneller Hochzeitskleidung und während der Zeremonie, Musiker mit japanischen Instrumenten

Ein paar Fotos machte ich aber trotzdem, wie ihr seht. Die folgenden machte ich bei einem Tempel, bei dem zur Abwechslung mal kein "Fotografieren verboten!"-Schild stand. Wie ich erfuhr, nachdem ich das zweite Foto gemacht hatte, war es aber trotzdem verboten.

Zur Abwechslung – mal wieder ein Tempel mit reich verziertem Dach

Am Abend taten uns dann allen die Füße weht, vor allem Okaasan, weil sie sich vor ein paar Tagen am Fuß verletzt hat, und Shiori, weil sie Sandalen mit zu dünnen Riemen trug. Mir ging es im Vergleich dazu noch recht gut, dafür habe ich aber Sonnenbrand auf meiner einen Schulter, was recht vorhersehbar war, aber man kann ja mal hoffen. Es war ein schöner Tag.

In Shioris Schule

Den letzten Dienstag hatte ich wie gesagt auch frei. Ich ging stattdessen in Shioris Schule, denn da war Elternbesuchstag, an dem können die Eltern kommen und beim Unterricht zuschauen, das gibt es wohl in allen japanischen Schulen. Es war vielleicht ein bisschen dumm, wenn ich mal einen Tag nicht in eine Schule, in der ich nichts verstehe, gehen muss, in eine andere zu gehen, in der ich genausowenig verstehe. Aber ich war neugierig, mal eine andere Schule zu sehen. In Shioris Schule ist außerdem auch Keamo, eine AFS-Austauschschülerin aus Südafrika, die ich von der Orientation in Tokyo kenne. Ich hatte es schon wieder ganz vergessen, aber Otoosan und Okaasan sagten es mir. Vielleicht fand er es auch ein bisschen langweilig, beim Unterricht zuzuschauen, oder er erriet einfach, wie gerne ich Keamo treffen würde, jedenfalls bot Otoosan mir schließlich an, dass wir sie suchen gehen könnten. Es war ziemlich schwer, sie in der riesigen Schule zu finden, aber schließlich schafften wir es und warteten vor dem Klassenzimmer, bis die Stunde rum war. Ich konnte sie sehen, aber sie sah mich nicht, und als sie dann nach der Stunde rauskam und ich da stand, war sie wirklich sprachlos vor Verblüffung. Ich habe, glaube ich, in echt noch nie jemand so vollkommen verblüfft gesehen. Aber sie fing sich wieder und die paar Minuten, die wir zusammen hatten, verbrachten wir damit, möglichst schnell möglichst viele Informationen auszutauschen. Es war echt schön, sie wiederzutreffen.

Der Rest der Woche

Ansonsten verbrachte ich die Woche damit, abwechselnd abends lange zu lernen, und dann wieder tagsüber fast einzuschlafen. In manchen Fächern, vor allem Chemie, strengte ich mich echt an. In Mathe dagegen versuchte ich die einen Hausaufgaben nicht einmal. Jeden Tag hatte ich vor, mal wirklich früh ins Bett zu gehen, aber es hat nie geklappt, selbst an dem Tag nicht, an dem ich beschloss, ich sei zu müde, um Hausaufgaben zu machen. Ich bleibe einfach viel zu gerne abends mit Okaasan und Otoosan im Wohnzimmer sitzen. Am Donnerstag war ich noch mal beim Wanderclub und danach halb tot. Ich habe mich aber immer noch nicht entschieden. Wir aßen außerdem eine Menge leckeres Essen, denn Otoosan hatte ja frei und kochte deshalb jeden Tag tolle Sachen. Am allerliebsten mochte ich wohl Gyoza, eine Art Maultaschen, die ursprünglich aus China stammen. Es ist außerdem ziemlich warm geworden, so um die 24/25 grad, jeden Tag. nur am Mittwoch regnete es. Am Donnerstag morgen war es dann wieder warm und sonnig, aber alles war noch feucht vom Regen. Als ich in der Schulauffahrt an regennassen Palmen, Farn und Blumen vorbeikam, es gleichzeitig aber schon wieder schwül und warm war, erinnerte mich das tatsächlich an das Tropenhaus in deutschen Zoos. Und dabei ist es erst Anfang Mai!

Ich lernte auch sehr viel Kanji. Ich habe nämlich alle Grammatikübungen gemacht, will aber noch keine neue Lektion anfangen, da die nächste erstens total schwer ist, und ich außerdem die anderen Sachen noch nicht wirklich alle kann, nur weil ich diese paar Übungen gemacht hat. So war es mit den Volonteer Teachers teilweise etwas langweilig, weil weder sie noch ich wussten was ich machen sollte. Ich finde ja, sie sollten sich einfach mal ein paar Aufgaben für mich ausdenken, aber naja. Ich verlegte mich also stattdessen aufs Kanjilernen, was ja auch nicht verkehrt ist. Mit der einen Lehrerin machte ich außerdem wieder einen Spaziergang, wir waren bei einer Kirche und beim ältesten Tennisplatz Yokohamas.

Mit den Mädchen aus meiner Klasse vestehe ich mich weiterhin sehr gut, manche würde ich wirklich schon als engere Freunde bezeichnen.

Heute Abend gehen Obaasan, Okaasan, Shiori und ich wahrscheinlich in ein Onsen. Morgen gehe ich dann zum Karaoke, übermorgen kann ich mich dann noch mal ausruhen und/oder lernen, und dann sind meine Ferien leider auch schon wieder rum und die Schule geht weiter. 

Pauline