Montag, 05.05.2014

#17 Erdbeben (II) und davon, nichts zu verstehen

Also, als erstes einmal ein Rat (?) oder besser Vorherrsage für alle, die auch vorhaben, ein Austauschjahr zu machen: Macht euch darauf gefasst, manchmal echt überhaupt keine Ahnung zu haben, was ihr macht und was ihr vorghabt, wohin ihr geht oder warum. 

Onsen - Yakiniku! (Oder der Abend, an dem ich nichts verstand)

Also ich jedenfalls dachte wirklich, dass wir gestern in ein Onsen gehen wollten. Ich bin mir immer noch ganz sicher, dass Okaasan gasagt hat, dass Obaasan mit uns in ein Onsen gehen wolle, denn sie machte mir ausdrücklich klar, dass man da nackt wäre, und ob das für mich okay wäre. Und ihre Freundin fragte mich am Samstag noch mal das Gleiche, weshalb ich sicher weiß, dass es tatsächlich um Onsen ging. Und ich dachte wirklich, dass Okaasan sagte, wir würden da am Sonntag hingehen. Gestern Nachmittag war ich dann jedenfalls in meinem Zimmer, als auf einmal, um zwanzig nach vier, Okaasan an der Tür klopfte, um mir zu sagen, dass wir um halb fünf gehen würden, ich mich also ein bisschen beeilen solle. Das erste, über das ich mich wunderte, war, dass sie sagten, dass ich nichts mirzunehmen bräuchte. Dass zweite, über dass ich mich wunderte, war, dass Yutaro und Otoosan offenbar auch mitkamen. Beim rausgehen wurde mir dann klar, dass wir zu siebt gar nicht ins Auto passen, was mich noch mehr verwirrte. Wir gingen auch wirklich zu Fuß, einen Weg den Berg hoch und auf der anderen Seite die unglaublich lange Treppe wieder hinunter. Dann eine Straße entlang und da ich die Häuser beim Bahnhof sah, wusste ich ungefähr, wo wir waren. Wir gingen dann in ein Haus an der Straße, das sich als Yakiniku-Restaurant entpuppte. Beim Yakiniku grillt man auf einem kleinen Grill, der im Tisch eingelassen ist, Fleisch (oder auch Gemüse oder Meeresfrüchte). Dort aßen wir also und es war sehr lecker. Am Ende platzte ich fast, da Okaasan mir immer mehr Fleisch gab und ich ihren gebratenen Reis probierte und dann auch noch alle möglichen Meeresfrüchte wie Shrimps und Muschel, was ich noch nie gegessen hatte, was aber eigentlich lecker war. Am Anfang war es noch ziemlich leer, wir waren ja echt früh, aber mit der Zeit wurde es unglaublich voll und als wir gingen hatte sich vor der Tür eine lange Schlange gebildet, was für japanische Restaurants echt typisch ist, vor den allermeisten Restaurants gibt es auch extra Stühle für die Wartenden. Die meisten Leute waren jedenfalls Studenten, bei denen scheint Yakiniku sehr beliebt zu sein, und sie waren ziemlich laut. Von den vielen Grillen war die Luft außerdem extrem verraucht, was zur Folge hatte, dass meine Kleider später rochen, als habe ich den Abend am Lagerfeuer verbracht, und man vor allem nicht so gut sehen konnte. Ich glaube, der Mann am Tisch gegenüber hatte nicht nur blond sondern auch blau gefärbte Haare, aber ich konnte es echt nicht genau erkennen. Als wir danach wieder heimgingen, wurde mir jedenfalls entgültig klar, dass ich irgendwas gründlich falsch verstanden hatte. Wir gingen allerdings einen anderen Weg heim, Otoosan meinte, dort sei ein Game Shop. Als Okaasan stirnrunzelnd nachfragte "Game Shop?", erläuterte er, dort gäbe es Purikura. Shiori sagte zwar, es gäbe keine, aber beim Laufen dachte ich trotzdem darüber nach, dass es mit Freunden durchaus ein typischer Abschluss wäre, nach dem Essen noch Purikura zu machen, aber eigentlich nicht mit den Eltern und der Großmutter, und dass es außerdem ziemlich schwer werden könnte, zu siebt in so eine winzige Purikura-Kabine zu passen. Tatsächlich gingen wir dann Brot kaufen. Ich denke also, es war ein Witz. Danach gingen wir jedenfalls eine recht belebte Straße entlang. Inzwischen war es schon ziemlich dunkel, es war das erste Mal, dass ich nach Einbruch der Dunkelheit draußen war, und ziemlich cool. Otoosan bemerkte richtig, dass es uncool sei, dort mit seiner Familie herum zu laufen, denn auch dort waren beinahe nur Studenten unterwegs, und Shiori erklärte mir, dass Tokyo aber noch viel cooler sei und es dort viel mehr verrückte Leute gäbe. Nachdem wir noch einen Abstecher in den Buchladen gemacht hatten, gingen wir dann heim. 

Ich habe zwar den ganzen Zeit ziemlich auf dem Schlauch gestanden, aber es war ein schöner Abend.

Erdbeben, das Zweite

Ja, es gab mal wiede ein Erdbeben, diesmal ein richtiges, wenn ich es heute morgen im Fernsehen richtig verstanden habe, hatte es bei uns die Stärke 4. Heute morgen um zwanzig nach fünf wachte ich auf, ich weiß nicht, ob das Beben oder etwas anderes der Grund war, aber auf jedenfall war ich wach und merkte so, wie auf einmal alles wackelte. Es war ein echt komisches Gefühl und erstmal hatte ich ehrlich gesagt auch ganz schön Angst. Schließlich lag ich alleine in meinem stockfinsteren Zimmer. So sah ich auch nicht, wie es wackelte, ich spürte es nur und hörte es. Ich weiß nicht genau, was ich hörte, es fiel jedenfalls nichts runter oder so, aber ich glaube, irgendwas hörte ich. Ich glaube, es waren die Schiebetüren, die klapperten. Als ich dann den ersten Schreck überwunden hatte, fand ich es eigentlich ganz lustig. Dann hörte es auch bald wieder auf und ich hörte nur noch die Bänder von den Lampen, die noch schaukelten. Ich legte mich wieder hin, um noch die zwei Stunden bis zum Weckerklingeln zu schlafen.

Das interessante ist aber, dass ich gestern, bevor ich ins Bett ging, noch etwas trank, und mir dabei auffiel, dass der Haken vor dem Gläserschrank nicht geschlossen war. Ich machte ihn zu, mir dem Gedanken, dass es doch blöd wäre, wenn er nicht zu wäre, falls es in der Nacht ein Erdbeben geben sollte.

Karaoke

Um halb acht klingelte dann mein Wecker, da ich heute ja mir einer Freundin zum Karaoke ging. Ich könnte jetzt das gleiche wie oben noch mal schreiben, denn ich hatte eigentlich keine Ahnung, was wir den ganzen Tag machen würden. Ich wusste nur, dass und wo wir uns um zehn nach neun treffen würden.

Eine weitere Nebenwirkung der Schuluniform ist, dass man keine Ahnung hat, was für einen Kleidungsstil die anderen haben, es ist immer eine Art Schock, sie außerhalb der Schule zu treffen. In der Schule tragen wir alle diese unglaublich braven schwarzen Kleider, in denen alle wie kleine Kinder aussehen. Vielleicht ist das der Grund dafür, dass sie dann außerhalb der Schule ganz besonders auffällige Kleidchen tragen. Vor mir auf der Rolltreppe fiel mir jedenfalls eine Frau wegen ihres echt kurzen Rockes, der auffälligen Haarspange und vor allem wegen der unglaublich hohen rosa Schuhe und farblich dazu passenden Handtasche auf. Nachdem ich sie ein bisschen von hinten angestarrt hatte, kam mir allmählich der Verdacht, dass es sich um das Mädchen handelte, mit dem ich verabredet war. Gleich darauf bezweifelte ich das wieder, sie sah einfach zu anders aus und erkannte mich auch nicht. Nachdem wir die tausend Rolltreppen hochgefahren waren, und ein paar Minuten mir ein paar Metern Abstand gewartet hatten, wobei sich unsere Blicke mehrmals getroffen, sie mich aber offenbar nicht erkannt hatte, ging ich irgendwann zu ihr und sprach sie an und sie war es wirklich, obwohl sie, da sie geschminkt war und ihre Brille nicht trug, total anders wirkte. Die fehlende Brille war wohl auch der Grund dafür, dass sie mich nicht erkannt hatte.

Sie sagte mir auch, dass wir insgesamt zu sechst sein würden, was ich nicht gewusst hatte, mir aber recht war. Nachdem wir in einem Park, leider bei leichtem Regen, auf die anderen gewartet hatten, gingen wir in ein Museum in eine Ausstellung über einen japanischen Schriftsteller, in der ich natürlich nicht wirklich etwas verstand, aber die alten Fotos waren interessant. Dann gingen wir durch Chuukagai, China Town, zu dem Karaokeladen. Auf dem Weg machten wir ein Foto vor einem Tempel und kauften uns Mittagessen bei Subway (nein, nichts chinesisches). Das Karaoke war für fünf Stunden für eine Person eigentlich recht billig, wenn man aber bedenkt, dass ja jeder so viel bezahlte, aber doch auch wieder recht teuer. Auf jedenfall konnte man sich kostenlos alle möglichen Getränke im Flur holen, was gut war, denn der Raum war miniklein, die Musik ziemlich laut, und die Luft nach einiger Zeit ziemlich schlecht, außerdem war es total heiß. Ich bekam also, obwohl ich bestimmt zwei Liter trank, irgendwann Kopfschmerzen. Im Singen war ich ziemlich schlecht und die anderen ziemlich gut. Außerdem ist mein Repertoire an karaoke-tauglichen Liedern etwas zu klein, so dass es immer schwerer für mich wurde, Lieder zu finden, die ich singen wollte, bzw. konnte. Es ist nämlich ganz schön schwer. Und japanische Lieder kann ich auch nicht singen, weil ich die Hiragana einfach nicht so schnell lesen kann. Also, ich kann auf jedenfall noch viel verbessern, aber es machte trotzdem Spaß, und die anderen waren auch echt nett, versuchten mir zu helfen und mich zu trösten, dass ich alles singen könne, was ich wolle, es sei egal ob es gut sei oder nicht, es gehe nur um den Spaß. Naja, ihre schlechtesten Ergebnisse waren besser als meine besten (jedenfalls nicht viel schlechter). Das einzige, was ich wirklich gut konnte, war die Aussprache, aber dafür bekommt man keine Punkte. Ich sang außerdem "99 Luftballons", was ich zwar nicht mag, aber da es wahrscheinlich das einzige deutsche Lied war, das es gab, fand ich es lustig. Ich habe mir in den letzten Tagen jedenfalls ziemlich viele Sorgen wegen heute gemacht, was ich singen solle und worüber wir reden sollten, wo wir uns doch kaum kennen, aber es war echt unnötig. Und ich kann es immer noch kaum glauben, dass ich mich wirklich mit Mädchen verabrede, die kein Englisch können, und wir können uns verständigen (auch wenn ich mal wieder oft nicht genau wusste, wie es weiter geht). Außerdem machte es auch nichts, dass ich Jeans und Turnschuhe trug, alle anderen aber ihre Röckchen und Stöckelschuhe. Ich war auch ohne immer noch die Größte, also warum unnötig das Leben schwer machen?

Ja, das war's soweit. Es wurde bemängelt, dass meine Rechtschreibung schlecht geworden sei, tut mir leid, falls es wirklich so ist. Ich frage mich, wie es dann wohl erst mit meiner Aussprache ist, ich habe schon ewig kein Deutsch mehr gesprochen. Vielleicht liegt das mit der Rechtschreibung aber auch vor allem an mangelnder Aufmerksamkeit. Obwohl es stimmt, dass es immer wieder passiert, dass ich beim Schreiben über irgendwelche Ausdrücke oder Grammatik nachdenken muss. 

Pauline