Donnerstag, 17.04.2014

#12 Als Ausländer in Japan und ein Spaziergang durch Yokohama

Ausländer

Yokohama ist ja, zumindest in den Augen der Japaner, eine multikulturelle Stadt. Ich denke, man kann das durchaus so sehen, die Frage ist halt, womit man es vergleicht. Gestern, als ich aus der Schule kam, sprach mich ein Amerikaner/Europäer an, um mich zu fragen, ob das die internationale Schule sei. Ehrlich gesagt hatte ich mich schon gefragt, wann mich mal jemand wegen so was anspricht. Aber wenn man an Deutschland denkt, wer würde da schon auf die Idee kommen, dass irgendwo die internationale Schule sei, nur weil dort ein Türke oder so herumläuft? Wer würde schon grinsend und leicht ungläubig fragen "du kannst also Deutsch?", wenn er hört, dass es nur eine ganz gewöhnliche deutsche Schule ist, auf die dieser Türke geht? So ging das Gespräch zwischen mir und dem Mann nämlich weiter. Man sieht also, wie hoch (oder eher gering) der Anteil an ausländischen Schülern hier an den Schulen ist. Und dass die wenigen Ausländer das auch so erwarten. Ich selbst habe mich ehrlich gesagt auch schon mal gefragt, warum mich Angestellte in einen Laden eigentlich ansprechen, wo ich sie doch eh nicht verstehe. Nur, um mir gleich darauf klar zu machen, dass man mir das ja erstens nicht ansieht und dass es ja zweitens zeigt, dass diese zumindest nicht davon ausgehen, dass kein Ausländer in der Lage sei, die unglaublich komplizierte japanische Sprache zu erlernen.

So weit ich wusste, sind Japaner ziemlich nationalbewusst. Die Gesetze, um eine Aufenthaltsgenehmigung zu bekommen, wurden vor wenigen Jahren mal wieder verschärft, Ausländer bekommen nie die japanische Staatsbürgerschaft und außerdem sind sie der Ansicht, dass alles Japanische etwas besonderes ist und Japanisch die schwerste Sprache der Welt. So dachte ich zumindest. Bis jetzt hat sich das eigentlich für mich noch nicht so richtig bestätigt. Das Japanisch nicht die schwerste Sprache ist, dieser Ansicht waren, glaube ich, alle, die ich bisher getroffen habe. Außerdem ist Europa für viele das Traumreiseziel. In den U-Bahnen und Bahnhöfen ist wirklich immer alles in Umschrift geschrieben, oft sogar auch noch in Englisch, und die Ansage vor jeder Haltestelle wird auch noch mal auf Englisch gesagt, was selbst in Frankfurt nicht so ist. Außerdem sind wirklich alle immer total freundlich. Bleibt also nur, dass es kaum Ausländer gibt. 

Ob die Japaner das so wollen, ist mir nicht so ganz klar. Auffällig ist jedoch, wie oft man ausländische Touristen oder auch Menschen, die nach Japan gezogen sind, im Fernsehen zu sehen sind. Und zwar nicht als normale Menschen, sondern eben in der Rolle der "Ausländer". Es gibt wirklich ganze Sendungen die zeigen, wie südamerikanische Touristen Osaka anschauen oder wie der der Anteil an Ausländern beim Hanami in Tokyo angestiegen ist. Es gab auch einen Film, bei dem mit versteckter Kamera die Reaktion von japanischen Passanten gefilmt wurde, die ein Amerikaner in sehr schlechtem Japanisch nach dem Weg zum Bahnhof gefragt hatte. Fairerweise muss man sagen, dass wirklich alle unglaublich freundlich und hilfsbereit reagierten. Andererseits wirkte das Ganze auf mich aber so, als sei genau dieser Eindruck von Japanern das Ziel der Sendung. Genauso wie auch bei einer Sendung, die gleich im Anschluss kam und den Titel "Japan vs. Heimatland" trug. Dort wurden Ausländer interviewt, die Fragen waren zum Beispiel: "Wo ist das Essen besser?" oder "Wo sind die Leute freundlicher?". Am Ende gewann Japan ziemlich hoch, allerdings wurden auch nicht alle Fragen gleich oft gestellt. Während manche nur einmal gestellt wurden, machte die Frage, wo die Frauen hübscher seien, und die ausnahmslos mit "Japan" beantwortet wurde, dagegen so ein drittel der gesamten Fragen aus.

Ich weiß also immer noch nicht genau, was ich im Algemeinen von Japans Einstellung Ausländern gegenüber halten soll. Die Menschen, denen ich bisher persönlich begegnet bin, waren aber alle sehr freundlich, aufgeschlossen und an anderen Ländern interessiert. Nur dass ich halt auf der Straße angestarrt werde.

Ein Spaziergang

Schon mehrmals schlug Otoosan mir vor, einen Spaziergang zu machen, als ich nichts zu tun hatte (und fügte mit einem Grinsen immer noch "mit Riki" hinzu). Wie auch immer, aus irgendeinem Grund hatte ich es bisher noch nie gemacht. Heute ich hatte ich dann Schulfrei (alle anderen hatten Gesundheitstests, aber ich musste zu Glück nicht getestet werden), und nachdem ich am Vormittag mit Okaasan einkaufen war, mich dann stundenlang mit ihr unterhalten und Musik gehörte hatte, ging ich dann am Nachmittag tatsächlich endlich mal ein bisschen in in unserem Viertel herum. Und ich war verzaubert! Bestimmt ist es eigentlich ziemlich nervig, wenn der Heimweg aus gefühlten hundert meter hohen Treppen besteht oder das Gartentor so schmal ist, dass man mit einem Kinderwagen nicht durchkommt, aber zum herumlaufen und alles anschauen, ist es total toll, und vor allem extrem anders als alle deutschen Städte, die ich kenne. Die meisten Häuser sind von außen mit so grauen Plastikplatten verkleidet und deshalb ziemlich häßlich. Aber dazwischen gibt es großartige Orte! Immer wieder dachte ich, "das ist mein neuer Lieblingsort", nur um kurz darauf wieder eine besonders steile Treppe, einen besonders schönen Garten oder einen besonders großen Baum zu sehen, und das gleiche zu denken:

Sieht aus wie im Wald, ist aber Yokohama Einer der hunderttausend Fußwege Und ein Baumhaus

Wenn man das sieht, würde man doch nicht denken, dass man sich mitten in Yokohama befindet, dessen Einwohnerdichte dreimal so hoch ist wie Frankfurt, und dass man in 15 Minuten ins Zentrum Yokohamas laufen kann, wo es Kaufhäuser gibt, die so groß sind, dass ich alleine nicht mehr herausfinden würde und einen der größten Bahnhöfe des Landes:

Das Zentrum Yokohamas

Bambus gibt es auch, zig Meter hoch und so dick wie mein Arm. Außerdem Palmen, überall, und noch eine ganze Menge anderer Pflanzen, die mich an die Kanaren oder so erinnern. Ja, jetzt wo es wärmer wird, merkt man wirklich, wie südlich das hier ist. Es hat auch schon so 24 Grad, irgendwo in Japan sogar 27. Morgen soll es allerdings wieder auf 12 Grad abkühlen.  

Palmen, hier nichts besonderes Genausowenig wie riesiger Bambus

 

Und jetzt noch mal ein paar Bilder um euch zu zeigen, was ich mit "engen Straßen" meine:

Der Anfang meiner Straße

Zwischen dem weißen Zaun und der Mauer befindet sich: nein, falsch, keine Einfahrt. Es ist der Begin der Straße, in der ich wohne.

Naja, Garten kann man es vielleicht noch nicht ganz nennen...

Der Asphalt im Vordergrund ist tatsächlich eine ganz gewöhnliche Straße, einen Bürgersteig gibt es allerdings nicht, genausowenig wie einen richtigen Vorgarten. Aber die Menschen versuchen, jeden verfügbaren Zentimeter zu nutzen:

Bettdecken lüften

Auch indem sie ihre Decken über dem Geländer lüften, dass den Fußweg zu einem der vielen beinahe senkrechten Abhänge (Yokohama ist ziemlich hügelig) hin abgrenzt. Ich habe auch ein Aquarium mit Goldfischen gesehen, dass unmittelbar an der Straße auf einer morschen Bank stand, nur durch eine kleine Metallplatte vor Aurofahrern geschützt.

Ich liebe Yokohama jetzt jedenfalls! Ich wollte gar nicht mehr umkehren, ständig sah ich einen neuen Weg, den ich gehen wollte, immerwieder Dinge, die mich begeisterten. Schließlich drehte ich vor allem um, weil ich Angst davor hatte, den Rückweg nicht mehr zu finden. "Der Mohnblumenberg", falls diesen Film jemand von euch kennt, spielt übrigens auch hier (wenn ihr ihn nicht kennt, könnt ihr ihn euch ja mal ansehen, falls es ihn in Deutschland schon auf DVD gibt, er ist vom Studio Ghibli und sehr schön, finde ich).

 

Okay, jetzt höre ich mal wieder auf, bei mir ist es jetzt halb elf abends und morgen ist wieder ein normaler Schultag. Auf die Antworten auf eure zahlreichen Fragen, müsst ihr leider auch noch ein bisschen warten, tut mir leid. Und wenn ich viele Rechtschreibfehler gemacht habe, liegt das daran, dass ich gleichzeitig die zweite Folge einer Serie im Fernsehen gesehen habe, die ich nicht wirklich verstanden habe, da ich leider die erste Hälfte der ersten Folge verpasst habe. Vielleicht ist das -oder meine Müdigkeit- auch der Grund dafür, dass mir gerade kein besserer Titel einfällt.

Ich hoffe, es geht euch allen gut, wer auch immer das hier alles liest!

Pauline