Samstag, 29.03.2014

#6 Gesammelte Beobachtungen

Hallo an alle!

Gestern gingen wir in ein Outlet, wobei mir nicht so recht klar war, was ich mir darunter vorstellen sollte. Alle kamen mit, auch Obaasan, nur Otoosan nicht, der musste natürlich arbeiten. Im Auto war es jedenfalls ziemlich eng und ziemlich unbequem. Wir fuhren um 8:00 los und Okaasan meinte, dass die Fahrt so 2 Stunden dauern würde. Aber sobald wir in Yokohama auf die Autobahn gefahren waren, kamen wir in einen Stau, und als wir endlich wieder einigermaßen fahren konnten, war es zwanzig nach zehn und und es lagen noch 66km vor uns. Insgesamt sind es so 82 und für die letzten 3 hatten wir eine Stunde gebraucht. Aber immerhin weiß ich jetzt, dass Stau auf Japanisch juutai heißt. 

Fuji-san und japanische Parkplätze 

 Der Fuji-san mit viel Schnee und mit Yokohama aus dem Bus heraus

Schließlich aßen wir in einem seltsamen Restaurant/Raststätte zu mittag. Von der Dachterasse aus sahen wir uns den Fuji-san an, der wirklich sehr schön ist. Als wir danach gleich wieder ins Auto stiegen, verstand ich gar nichts mehr, aber schnell wurde mir klar, dass wir einfach noch nicht angekommen waren. Der Rest der Fahrt verging aber schnell und dann wurden wir auf einen ziemlich vollen Parkplatzt gelotst. Bei den großen Einkaufsläden stehen hier immer uniformierte Männer, die einem den Weg weisen. Mir kam das etwas überflüssig vor, da gleichzeitig auch noch zig Wegweiser das Gleiche taten. Erst auf dem Rückweg erschien es mir angesichts des Chaoses doch ganz gut, dass sie den Verkehr regelten. Der Parkplatz war wie gesagt ziemlich voll und er sah anders aus, als die Parkplätze in Deutschland. Hier gibt es beinahe nur Kleinwägen, was auch ganz gut ist, wenn man sich anschaut, wie schmal die Straßen teilweise sind. Sie wirken wie Einfahrten, sind aber beidseitig befahrbare Straßen, auf denen auch noch Fußgänger und Fahradfahrer unterwegs sind, da es keine Bürgersteige gibt. Außerdem müssen die Autos auch noch um die Masten der Stromleitungen herumkurven. Es gibt auch viele dieser sehr schmalen und hohen Kastenwägen, die ich in Deutschland noch nie gesehen habe. Und die Autos sind allermeistens weiß oder silber oder auch mal schwarz. Helle Blautöne gibt es auch recht oft, aber andere Farben sind eine echte Besonderheit.

Das Outlet 

Von diesem Parkplatz aus liefen wir also zum Outlet, und da merkte ich auch endlich, was es war: Ein riesiges Einkaufsdorf in dem alles billiger war. Heute sah ich auch eine Werbung dafür im Fernsehen und dieser Outlet ist so wichtig, dass er sogar auf einer Landkarte von der Präfektur Kanagawa eingezeichnet ist. Hier gab es also Läden von tausend Marken, von den mir bekannten aber auch von welchen, von denen ich noch nie gehört hatte. Und selbst Marken, die ich kannte, erkannte ich nicht unbedingt. Levi's etwa sprachen sie so aus, dass ich es Reebais oder so geschrieben hätten. Es gab auch immer wieder Durchsagen, auf Japanisch, Chinesisch (nehme ich an) und Englisch. Aber obwohl ich erkannte, dass es Englisch war, verstand ich es nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob es an mir lag, oder nicht doch eher an der Aussprache des Sprechers.

 

Von Schuhgrößen und davon, kawaii zu sein

Tja, und dort verbrachten wir dann den Tag. Es war nicht richtig spannend, vor allem, da ich mir eigentlich nichts kaufen wollte. Aber Obaasan schenkte mir ein T-shirt und ich weiß jetzt, dass man sich in Japan vor den Umkleidekabinen die Schuhe ausziehen muss. Ich schaute mich auch nach Schuhgrößen um. Die größte Mädchengröße ist 25cm und ob mir die passt, ist glücksache. Vor ein paar Tagen kaufte ich mir Schulschuhe. Größe 25,5, die größte Größe, die es bei den Mädchenschuhen gab. Da ich außerdem auch nicht so teure Schuhe wollte, hatte ich nicht besonders viel Auswahl. Jetzt sind die Schuhe vorne ziemlich eng, hinten rutsche ich recht leicht raus und außerdem sind sie schrecklich unbequem. Aber sie werden wohl noch bequemer. Ich hoffe nur, dass sie nicht auch noch viel weiter werden, denn dann kann ich nicht mehr richtig in ihnen laufen. Tja, zum Glück habe ich ein paar Schuhe dabei. Und sonst muss ich mir wohl Turnschuhe kaufen, die gibt es auch in größeren Größen. Oder Jungsschuhe, obwohl die natürlich nicht kawaii sind. Es ist sehr wichtig, dass alles kawaii (niedlich) ist. Allerdings ist das nicht so schlimm, denn es ist einfach alles kawaii, was einem gefällt. Und das sind natürlich einerseits rosa-geblümte Täschchen und Mickey Maus, aber andererseits auch schwarze Turnschuhe (mit Blümchen innen) oder einfarbige Kapuzenjacken ganz ohne Blümchen. Die meisten Mädchen achten darauf, kawaii angezogen zu sein, was meistens auf Röcke und so hinausläuft. Auch meine Gastschwester, die ziemlich uneitel ist und zuhause die ganze Zeit in schwarzen Sportsachen rumläuft, zieht sich einen Rock an, wenn sie das Haus verlässt. Ich trage immer noch am liebsten Jeans, bin damit aber etwas alleine.

Sushi

Später gingen wir dann noch Sushi essen, was sehr lecker war. Lauter roher Fisch. Ich esse alles, nur Tintenfisch mag ich nicht. Und darauf Pferdesushi von meinem Gastbruder zu probieren, verzichtete ich auch (wobei er es mir auch nicht direkt angeboten hat). Als mein Gastvater neulich gemerkt hat, dass ich Sushi esse, meinte er, jetzt sei er erleichtert, dann werde ich in Japan überleben. Auf vegetarisches Sushi sollte man wirklich nicht hoffen. In Deutschland gibt es ja immer diese vegetarischen Sushiboxen mit Maki-Sushi mit Gurke und Kürbis und was weiß ich. Hier gibt es auch Maki-Sushi, aber es wird kaum gegessen. Vegetarisches Essen überhaupt gibt es kaum. Ich glaube, das einzige Mal, das ich eine Mahlzeit ohne Fleisch gegessen habe, seit ich in Japan bin, war, als wir mal bei einem Italiener waren. Bei dem gab es übrigens viele Nachtische, die ich noch nie gesehen hatte, aber kein Tiramisu und kein Eis. Genauso, wie es in einem deutschen Restaurant, dass wir im Internet angeschaut haben, eine Art Käsespätzle gab, aber mit Spaghetti statt mit Spätzlen. 

Deutsch und andere Sprachen

Beim Essen beeindruckte ich auch meine Gastschwester damit, dass ich Hallo auf allen möglichen Sprachen sagte. Dabei wurde mir auch klar, dass ich beinahe alles aus einem halben Jahr Spanischunterricht vergessen habe. Ich brauchte eine ganz schöne Weile, bis mir wieder einfiel, was "ich heiße Pauline" heißt, und bis ich wieder wusste, wie man die Uhrzeiten sagt, dauerte es noch länger. Mein Gastvater kann etwas Spanisch und er fragte mich heute auf Spanisch, wo ich Spanisch gelernt habe. Die Frage verstand ich noch, aber ich konnte nicht mehr antworten. Ich konnte nicht mehr Schule auf Spanisch sagen, alles was mir einfiel war "Gakkou". Besonders beeindruckend und schwer ist für meine Gastfamilie aber Deutsch. Sie können schon "Danke schön", "willkommen" und "ich bin müde" sagen. Ein echter Zungenbrecher ist "Gib Pfötchen". Und das neue Lieblingswort meiner Gastschwester ist "Jäger". Vorgestern fiel ihr nämlich auf, dass in dem Opening eines Animes (keine Ahnung wie er heißt) eine deutsche Zeile vorkommt. Ich glaube, sie erkannte es an dem "ä" in den Untertiteln. Ohne die hätte auch ich den Text nicht verstanden, aber so konnte ich ihn lesen und auch ins Japanische übersetzten. Er lautet "Seid ihr das Essen? - Nein wir sind der Jäger!" Alle fanden es sehr lustig, weshalb wir beim Essen eine Menge Spaß hatten. Man findet aber noch andere sehr seltsame Deutsche Sätze, zum Beispiel auf Notizbüchern. Sie sind vollkommen sinnfrei und in Deutschland könnte man sie niemals verkaufen. Aber hier haben sie halt was exotisches und das ist das wichtige, denke ich. Ich achte immer darauf, ob ich hier deutsche Sachen sehe und es gibt schon einiges, vor allem Süßigkeiten, die aber ziemlich teuer sind. Und in einer Wiskeywerbung im Fernsehen wird "Dschingis Khan" gesungen, allerdings mit Japanischem Text.

Fernsehen

Das Japanische Fernsehen ist auch noch so eine Sache. Ich verstehe wirklich fast nichts, aber da der Fernseher fast die ganze Zeit läuft, kann ich schon die Musik von so mancher Werbung mitsingen. Überhaupt gibt es ständig Werbung. Oft erkenne ich nicht mal, ob es Werbung ist oder nicht, denn es sind prakrisch richtige Sendungen, mit Interviews und allem, in dem aber nur über einen Artikel gesprochen wird. Ständig kommen irgendwelche Leute ins Studio und führen dort Messer oder so vor. Die Menschen in dem Studio tun mir leid. Sie müssen den ganzen Tag dort sitzen und sich dieses Zeug anschauen und auch noch eine Reaktion zeigen. Denn auch während der Filme sieht man sie in einem kleinen Fenster in der Ecke. Ich habe mir schon Gedanken gemacht, ob sie dort vielleicht immer die gleiche Aufnahme zeigen, aber da sie jeden Tag andere Kleidung tragen, ist es wohl nicht so. Das Studio selbst ist auch seltsam. Es soll wohl an ein Landhaus (europäisch?) erinnern, weshalb die Wände aus roten Backsteinen sind. Auch die grünen Sprossenfenster, das Aqarium und die vielen Blumenkübel sind ganz hübsch. Für mehr Authentizität stehen aber auch ein Fahrrad und eine Schubkarre mit Gartenhandschuhen herum, was ich wirklich lustig finde. Da bei Interviews oder so die wichtigsten Sachen noch mal als Untertitel eingeblendet werden, verstehe ich wenigstens manchmal etwas. Was ich einigermaßen verstehe sind die Berichte über die Kirschblüte. Mehrmals täglich wird auf einer Karte genau gezeit, wo die Kirschblüt schon wie weit ist, und dann gibt es Wetterberichte und es wird erklärt, wann der optimale Tag für Hanami (Kirschblütenschau) ist, außerdem werden eine Menge seltsamer Sachen, wie klappbare Stühle und so vorgestellt. Und es kommt oft Eiskunstlauf, das ist hübsch. Gestern war Keine-Ahnung-was-für-eine-Meisterschaft in Saitama (Japan) und die ersten beiden Plätze wurden von Japanern belegt. Ich fragte mich, ob der Fokus im deutschen Fernsehen auch so stark auf den Deutschen Sportlern liegt. Mir kam es etwas extrem vor. 

Reiskräcker zum Wachhalten und japanische Toiletten

Tja, zurück zu unserem Ausflug gestern. Wir fuhren irgendwann zurück und ich machte mir schon Hoffnung auf eine kurze Fahrt, als wir wieder in einen Stau kamen. Es war aber nicht so schlimm wie auf der Hinfahrt, nur waren wir alle wie erschlagen. Mein Gastbruder hielt sich wohl mit Computerspielen auf seinem Handy wach (er hatte schon auf der Hinfahrt geschlafen) und meine Gastschwester mit singen. Ich döste und bis ich realisiert hatte, dass sie aufgefört hatte zu singen, war sie auch schon eingeschlafen. Meine Gastmutter aß Reiskräcker um sich wach zu halten. Ich weiß nicht, warum die wach machen, vielleicht weil sie so hart sind oder so. Auf einer Raststätte machten wir Halt. Auf den Toiletten hingen tatsächlich Schilder, auf denen erklärt wurde, wie rum man sich draufsetzten soll und dass man sich nicht auf die Klobrille stellen soll. Ich glaube eigentlich nicht, dass jemand das falsch macht, selbst wenn er nur die traditionellen Toiletten kennt. Übrigens sind die Klobrillen hier wirklich oft beheizt und es gibt oft eine Menge Knöpfe am Klo. Das von meiner Gastfamilie ist noch relativ schlicht und wirkt auch nicht so schwer, trotzdem habe ich die Knöpfe noch nicht ausprobiert.

Die Kunst, japanische Wörter nachzuschlagen

Also, das war ein etwas seltsamer Tag gestern. Ansonsten werden die Tage ruhiger und etwas normaler. Mit meiner Schwester habe ich Purikura (Fotosticker) gemacht. Das war lustig, aber man muss unglaublich schnell alles verzieren und so, was mich etwas überfordert hat. Trotzdem ist es hübsch und meine richtige Mutter fragte mich, was ich mit meinen Augen gemacht habe, aber der Automat vergrößert sie von alleine. Und ich lese ein japanisches Kinderbuch, nachdem ich Naruto aufgegeben habe. Es ist ganz schön und ich bin schon auf Seite 22 oder so. Es hat aber auch ziemlich wenig Text. Schon die Wörter nachzuschlagen ist aber schwer. Ich erkenne erstens nicht immer, wo ein Wort endet, da es im Japanischen eigentlich keine Lehrzeichen gibt. Und außerdem muss man natürlich die Grundform der Verben und Adjektive nachschlagen, und ich brauche manchmal echt lange, bis ich die rauskriege, da man im Japanischen einfach alles hinten an Verben und Adjektive dranhängt und man das dann erstmal entwirren muss. Ich wurde ja mehrmals gefragt, wie viel Japanisch ich schon konnt, bzw. wie lange ich schon gelernt habe. Gelernt habe ich seit gut zwei Jahren, zwischendrin machte ich aber auch mal ein halbes Jahr Pause und lernte auch sonst nicht so richtig kontinuierlich. Ich habe mit einem Selbstlernkurs (Assimil) gelernt, und würde sagen, dass ich theoretisch recht viel konnte, ich aber echt einen Mangel an prakrischer Erfahrung hatte. Von den Schriftzeichen konnte ich Hiragana ganz gut und Katakana auch mal, hatte aber recht viele Katakana wieder vergessen. Kanji habe ich auch gelernt, mit einem Buch namens "Die Kanji lernen und behalten", das ich empfehlen würde, da es lustig ist und man sich Bedeutung und Schreibweise gut merken kann. Allerdings lernt man da nicht die Aussprache. Ich kann also 370 Kanji schreiben und erkennen, aber nicht alle davon auch aussprechen. Außerdem kann ich noch mehr erkennen, aber nicht schreiben, einfach weil sie so oft vorkommen.

Antworten

So, und da ich schon mal dabei bin, werde ich auch die anderen Fragen beantworten, die mir in den Kommentaren oder Emails gestellt worden sind. 

  • Ein Brief von Deutschland nach Japan dauert so eine Woche, habe ich herausgefunden (wenn ich jemandem gesagt hatte, dass ich ihm meine Adresse geben würde, das aber noch nicht getan habe, dann meldet euch einfach noch mal)
  • Heimweh hatte ich noch nicht.
  • Ich habe auch noch nicht wirklich irgendwas vermisst, das ich vergessen habe einzupacken. Allerdings bräuchte ich deutlich weniger Dinge wie Socke, da wir täglich waschen, und dafür wären Jogginghosen oder so gut, damit ich wie meine Gastfamilie zuhause in Sportsachen rumlaufen könnte.
  • Gerade haben wir Frühjahresferien, die sind zwischen den Schuljahren.
  • Das Haus meiner Gastfamilie ist wirklich klein, auch wenn es auf Google Maps groß aussieht. Mein Zimmer und das meines Gastbruders sind ungefähr gleich groß, oder besser klein, das Zimmer meiner Gastschwester ist im Nachbarhaus, das Obaasan gehört, die Küche ist schrecklich eng und geht ins Wohnzimmer über, das auch nicht gerade groß ist, so dass wir ständig übereinander steigen müssen (okay, bisschen zugespitzt gesagt). Meine Gasteltern schlafen im Stock drüber, im Arbeitszimmer meiner Gastmutter, ich denke auf Futons, aber genau weiß ich es nicht. Das Haus ist auch deshalb klein, weil im Erdgeschoss der Bruder meiner Gastmutter wohnt, den ich allerdings noch nie gesehen habe. Auch die Straße ist klein, siehe Beschreibung oben.

 

Tja, das war jetzt wirklich sehr lang und hoffentlich nicht so langweilig. Ich hatte nur mal Lust, all die Sachen, die mir aufgefallen sind, zu erzählen. Und zum Schluss noch ein paar Fotos:

 Tokyo im Regen (auf der Fahrt vom Flughafen zum Hotel) und der Tokyo TowerTypisches japanisches Essen und NattoDas Willkommensplakat bei meiner Gastfamilie und die passenden Kuchen dazu

Viele Grüße, Pauline