Samstag, 17.05.2014

#19 Aikido

Ich habe mich verhältnismäßig nicht gemeldet, glaube ich. Das lag daran, dass ich am Samstag noch nichts neues zu berichten hatte, am Sonntag keine Zeit, am Montag keine Lust und am Dienstag keinen Computer. Am Mittwochabend schlief ich die ganze Zeit auf dem Sofa und am Donnerstag und Freitag war ich zu faul.

Gut, nun zum eigentlichen Thema:

Aikido

Letzten Samstag war ich beim ganz normalen Aikidotraining. Das ist allermeistens von 11:00-13:00 Uhr. Ich gehe entweder samstags oder sonntags. Das Training ist ziemlich anstrengend, vor allem jetzt, wo es heißer wird. Am Sonntag kam dann ein spezielles Training. Ich mussste schon um halb acht los gehen, denn es war in Kamakura, in einem Dojo beim Hachimangu-Schrein, der einer der berühmtesten Tempel Kamakuras ist. In der Golden Week war ich auch schon da. Das besondere an dem Training war, dass es Ueshiba-Sensei machte. Sein Großvater war der Erfinder des Aikido und zur Zeit ist er der größte Aikido-Großmeister. Ich hätte nie erwartet, ihm hier zu begegnen. Weil es so etwas besonderes war, kamen auch viele Leute, auch Ausländer, unter anderem größere Gruppen aus Russland und Argentinien, aber auch ein Deutscher. Es war das erste Mal, dass ich einem Deutschen begegnete, seit ich bei meiner Gastfamilie bin. Es war echt seltsam, Deutsch zu sprechen. Und während wir Deutsch sprachen, sagte ich "yes", "no" oder "or" immer noch in Englisch. Ja, Englisch, nicht Japanisch, leider. Aber es war auch echt verwirrend, weil wir zwei Deutsche (er konnte aber perfekt Japanisch), ein Australier und eine Japanerin waren. So kam es dann, dass ich auf Deutsch gestellte Fragen auf Deutsch beantwortete, nur damit mir der Australier sie mir dann noch mal auf Englisch stellte. Oder dass S-Sensei (die Japanerin) den Deutschen auf Englisch etwas fragte, er aber auf Japanisch anwortete.

Vor dem Training war es sehr interessant. Normalerweise verbeugt man sich zweimal und das war's. Aber diesmal gab es eine riesige Trommel, auf der getrommelt wurde, was so laut war, dass ich spürte, wie es in meiner Brust vibrierte. Außerdem machte irgendein Priester irgendwas, bei dem er sich gefühlte 50 Mal verbeugte, und auch wir mussten uns mehrmals verbeugen und zweimal in die Hände klatschen, wie in einem Tempel. Danach gab es noch ein paar Reden, von den ich natürlich nichts verstand. Währenddessen mussten wir aber die ganze Zeit ordentlich in Reihen knien, und meine Füße schliefen total ein. Als wir aufstanden, schüttelten alle im Raum erstmal die Beine und traten vorsichtig von einem Fuß auf den anderen, denn ich war nicht die Einzige, der es so ging. Beim Aufwärmen danach kam mir der Gedanke, ob wir vielleicht nur deshalb die Füße immer solange kreisen und abklopften, weil wir sonst noch nicht wieder laufen könnte.

Weil es so voll war, war es beim Training echt lebensgefährlich. Es war so voll, dass alle alles ganz langsam machten, da man bei normalen Okemi (Rollen) ohne Zweifel gegen fünf andere Menschen gestoßen wäre. Und ich hielt mir immer meinen Arm über den Kopf, weil ich so Angst, hatte, dass jemand auf meinen Kopf tritt oder fällt. Irgendwann sagte mir dann ein Mann, dass ich meinen Arm nicht so komisch hallten solle. Toll! Ansich war das Training aber einfacher als unser normales Training, weil Ueshiba-Sensei bei solchen öffentlichen Lehrgängen nur Grundlagen macht. Und es war sehr heiß!

Im Anschluss an das zweistündige Training kam eine Vorführung. Ich hatte davor nicht so wirklich darüber nachgedacht, wie lange die wohl ist, aber sie war ziemlich lange, denn so gut wie jeder Anwesende führte etwas vor (gut, nicht jeder, aber echt viele). Ich auch, aber erst ziemlich am Ende. Davor saß ich da und schaute zu. Knapp zwei Stunden auf dem Boden sitzen! Nicht einmal kniend, wir saßen im Schneidersitz, aber trotzdem taten meine Knie so weh! Ich hatte schon gewusst, dass ich bei Vorführung mitmachen würde, aber wir hatten davor noch nichts besprochen. In einer Pause entschieden wir dann die Paare, ich war mit S-Sensei zusammen. Als wir dann schon da saßen und darauf warteten, dass die Gruppe vor uns fertig wäre, fing S-Sensei an, zu überlegen, was wir denn machen könnten. So kam es dann, dass wir nicht unbedingt die Techniken machten, die ich am besten kann, aber es war okay. Als wir fertig waren, hatte ich keine Lust, noch länger an meinem Platz zu sitzen, die meisten anderen gingen auch schon, also stellte ich mich auf die Zuschauertribüne, wo auch Okaasan saß. Am Anfang war das noch eine echt angenehme Abwechslung, aber nachdem ich da so 40 bin 50 Minuten beinahe reglos gestanden hatte, taten mir auch noch meine Fersen weh. Ganz am Ende führte dann Ueshiba-Sensei selbst noch was vor. Es war schon beeindruckend, aber naja, ich war müde, mir tat alles weh und mein Fotoapperat spinnte, weshalb ich nicht so aufmerksam zuschaute, wie ich es gerne getan hätte.

Auf dem Rückweg zum Bahnhof aßen wir bei einem Bäcker ein bisschen was, es war inzwischen immerhin schon nach drei, dann fuhren wir die halbe Stunde bin Yokohama zurück. Am Bahnhof holten uns die anderen ab und wir gingen in ein Restaurant, denn es war ja Muttertag. Da wir danach noch in einem Süßigkeitenladen waren und Otoosan mir zeigte, dass an die Wand in dem Einkaufszentrum in riesengroß ein Gedicht von Schiller geschrieben war, kamen wir erst um sieben wieder nachhause. Es war echt ein langer Tag. Und ich war verdammt müde. Außerdem irgendwie ziemlich ausgetrocknet, ich trank während und nach dem Training einen Liter Wasser, außerdem ein großes Glas Eistee und im Restaurant noch mal zwei große Gläser Sprite. Noch ein bisschen länger wurde der Tag dann, da mir auffiel, dass ich meine Hausaufgaben vergessen hatte. Auf Mathe pfiff ich mal wieder aber Englisch wollte ich schon machen. Also schrieb ich bis halb eins einen Text über eine historische Persönlichkeit. Am Montag fragten mich meine Schulfreunde dann, was mit mir los sei, ich sei gar nicht so gut drauf wie normalerweise. Ich war nicht nur extrem müde sondern mir tat auch alles weh.

Muttertag

Wie gesagt war am Sonntag ja Muttertag. Klar, ist der gleiche Tag wie in Deutschland auch, aber hier ist es irgendwie wichtiger. Wochenlang kam im Fernsehen Werbung dafür (ich schreibe ziemlich oft, dass es für irgendwas ewiglang Werbung im Fernsehen gab. Wenn es Sommer ist, und viele Insekten gibt, werde ich das gleiche über Insektenschutzmittel schreiben. Aber jetzt ist noch nicht richtig Sommer und es gibt noch nicht so viele Insekten, also vergesst es wieder). In allen Läden gab es spezielle Muttertagsdinge. Wir feierten Muttertag auch, aber schon am Samstag, da am Sonntag ja nicht so richtig Zeit war.

Eine andere Klasse; viel Spaß

Von Mittwoch bis Freitag war mein Jahr auf Klassenfahrt, aber ich fuhr aus irgendeinem Grund nicht mit, ich weiß wirklich nicht warum, ich durfte nicht. Stattdessen war ich die drei Tage in dem dritten Jahr der Mittelschule, in der Klasse, mit der ich im Herbst übrigens auch eine Klassenfahrt nach Kyoto machen werde. Am Anfang hatte ich nicht so richtig Lust, schon wieder neue Leute, die ich nicht auseinander halten, und deren Namen ich mir nicht merken kann. Schon wieder die ganze Zeit im Mittelpunkt sein. Aber es war lustig. Es war wirklich extrem lustig. Davor wurde mir von verschiedene Leuten gesagt, Mittelschüler seien laut. Ich glaubte es nicht so recht, immerhin sind sie ja nur ein Jahr jünger als meine Klasse, also kann es ja nicht so ein riesen Unterschied sein, dachte ich. Aber sie sind laut. Und sehr lustig. Da gab es zum Beispiel ein Mädchen, Sensai-Maro (das ist nur ihr sehr seltsamer Spitzname), die an einem Tag im Unterricht sang. Einfach so. Und es war tatsächlich so laut im Klassenzimmer, dass die Lehrerin es vermutlich nicht einmal hörte. Sensai-Maro bastelte sich auch immer Ohrringe oder auch andere Dinge, während des Unterrichts natürlich. Es war wirklich lustig. 

Aber das im Mittelpunkt stehen nervte wirklich, womöglich war es dort sogar noch schlimmer als in meinem Jahrgang. Alles was ich mache ist großartig. In Sport machten wir Tennisübungen, und manche meiner Bälle flogen nicht mal wirklich in dir Richtung des Netztes. Aber trotzdem, jeder fand, dass ich großartig sei. Und das Namenmerken ist und bleibt schwer. Aber mit ein paar Mädchen habe ich mich ein bisschen angefreundet und weiß auch ihre Namen.

Clubs, mal wieder

Ich habe mich noch nicht für einen Club entschieden. Ja, ich denke auch, dass es langsam mal Zeit wird, aber es ist echt schwer. Ich war so gut wie entschieden, in den Wanderclub einzutreten, aber dann erfuhr ich, dass ich bei dem Sommercamp nicht mitfahren kann, weil gleichzeitig AFS-Sommercamp ist. In anderen Clubs wäre das schade aber zu verkraften, aber der Wanderclub wandert ja nicht besonders oft, da wäre es schon ganz schön, wenigstens bei diesen Wanderungen mitzukönnen. Und seit ich erfahren habe, dass ich wegen einem AFS-Treffen bei der nächsten Wanderung auch nicht kann, denke ich, dass ich nicht eintrete. Ich hatte eigentlich wirklich Lust. Aber dreimal in der Woche Fitnestraining, um dann irgendwann nach den Sommerferien mal wandern zu können, darauf habe ich nun auch keine Lust. Ach man, das mit dem Sommercamp ärgert mich immer noch. Die zelten da und so, ich würde da echt gerne mit. Naja, am Donnerstag war ich dann jedenfalls im Theaterclub. Theater finde ich toll, aber auf Japanisch ist das wohl etwas schwer. Ich würde wahrscheinlich sehr schnell lernen, aber wahrscheinlich würde es mich auch etwas überfordern. Am Freitag war ich beim Kagaku-bu, Chemieclub. Sie nennen es zwar Scienceclub, aber in Wirklichkeit kochen sie wohl eher über dem Bunsenbrenner. Dieses Mal wurde Karamel gemacht. Ich war in einer Dreiergruppe mit zwei Freundinnen von Sensai-Maro, die genauso seltsame Spitznamen haben (ich habe ihnen versprochen, das zu erwähnen). Sie heißen Maroko und Parakichi, eine vierte Freundin wurde an dem Tag auf Punigiri gerauft. Mein neuer Name ist jetzt Pambo. Auf jedenfall, unsere Gruppe schaffte es tatsächlich, dass unser Karamel Feuer fing. Das muss uns mal einer nachmachen (ist nicht wirklich so schwer). Die Senpai waren ein bisschen fassungslos. Außerdem kamen an diesem Tag viele Siebtklässler, da die sich jetzt auch für einen Klub entscheiden müssen. Wir sollten es ihnen vorführen und dann durften sie es auch mal versuchen. Die Vorführung unserer Gruppe ging ja ein bisschen schief (auch von den andern Versuchen klappte keiner wirklich). Dafür bekamen es unsere Siebtklässler dann bei beiden ersuchen perfekt hin. Vielleicht ein bisschen peinlich, vor allem für die Clubmitglieder, aber sehr unterhaltsam.

Auf Orchesterclub habe ich jedenfalls auch nicht mehr so viel Lust, die üben einfach so verdammt viel. Es ist nicht so, dass ich generell nicht jeden Tag trainieren will. Es gibt durchaus Dinge, bei denen ich das machen würde, um nur ein Beispiel zu nennen Aikido. Aber Cello spielen..? Ich habe aber vor ein paar Tage erfahren, dass es an der Schule ein Irasuto-doukoukai gibt. Ein Doukoukai ist so ein Art kleiner Klub. Wenn man nicht genug Mitglieder hat, um einen richtigen Klub zu gründen, gründet man stattdessen ein Doukoukai. Für die, die "Chuunibyou demo koi ga shitai" kennen, ich denke deren Klub ist ein Doukoukai. Und im Irasuto-Doukoukai wird Manga gezeichnet. Ich denke, dort will ich eintreten. Allerdings hat es gerade Ferien, möglicherweise aufgrund mangelnder Mitglieder. Und es kann sein, dass man nur eintreten daf, wenn man noch in einem richtigen Klub ist.

Der Kamakura Hachimangu-Schrein, vor dem Training und Gruppenbild nach dem Trainin mit Ueshiba-Sensei schräg vor mir (mit den weißen Haaren)

Okay, das ich wollte zwar eigentlich noch was anderes schreiben, aber das war ja jetzt schon ziemlich viel. Vielleicht wäre es ein bisschen besser, öfter und dafür weniger zu schreiben. An alle, die keine Aikido-Fans sind, ich hoffe, es war nicht zu langweilig.

Pauline