Donnerstag, 28.08.2014

#31 Sommercamp!

Hallo!

Auch ich habe manchmal Glück...

Es gab eine, zumindest für mich, sehr glückliche Fügung: Wie einige von euch wissen, kam Anfang August mal wieder einen Taifun (eigentlich sogar zwei). Sie waren genau in der Zeit, in der mein AFS-Sommercamp war. Das Wetter war deshalb nicht so prickelnd, die meiste Zeit bewölkt, den Fuji-san konnte man leider nur am ersten Abend sehen, aber es war sehr lustig und der Taifun kam auch erst in der Nacht, als wir schon wieder zuhause waren. In der gleichen Zeit sollte aber auch das Sommercamp vom Hikingclub sein. Möglicherweise habe ich vergessen, das zu schreiben, aber einer der Gründe, weshalb ich erst zögerte, in den Club einzutreten, war, dass ich von vornherein wusste, dass ich nicht zum Sommercamp fahren können würde. Und das ist ja beim Hikingclub das Highlight des Jahres. Naja, wie gesagt kam ja aber der Taifun, und das Sommercamp wurde verschoben. Was wiederrum bedeutete, dass ich doch mitgehen konnte!

Das Ganze sah dann so aus: Am Sonntag den 10. 8. (Herzlichen Glückwunsch an meinen Bruder) kam ich vom Sommercamp zurück. Am Montag den 11. 8. erfuhr ich, dass das Hikingclub-Sommercamp nicht stattgefunden hatte, und am Dienstag den 12. 8. dann, dass es verschoben worden war. Am Freitag den 15. 8. dachte ich zum ersten Mal ernsthaft daran, dass ich ja dann möglicherweise auch mitfahren könnte und erhielt von meiner Freundin den Tipp, am Montag den 18. 8. in der Schule anzurufen und mit der Lehrerin zu sprechen. Was ich aber aus Zeitmangel/Faulheit/Schüchternheit nicht machte, so dass ich erst am Donnerstag den 21. 8. nach dem Clubtraining mit der stellvertretenden Leiterin des Clubs sprach (die kein Wort Englisch spricht!). Diese telefonierte mit der Leiterin des Clubs, die das Okay gab, und bat dann ein Mädchen, dass nicht mitfuhr, mir ihre Ausrüstung zu leihen. Also brachte die mir am Freitag den 22. 8. alles zum Clubtraining mit, bis hin zu den Socken. Nachdem ich an diesem Nachmittag auch noch meine richtigen Eltern um Erlaubnis gefragt hatte, konnte ich am Samstag den 23. 8. nach dem Training einen Rucksack von der Schule leihen und den gesamten Krempel heimschaffen. An diesem Nachmittag zog ich außerdem glücklicherweise noch mal meine Wanderschuhe mit und bemerkte, dass sie extrem an den Zehen drückten, so dass ich mir dachte, dass ich die nicht tragen kann. Also ging ich am Sonntag* den 24. 8. nicht nur Essen kaufen, wie eigentlich geplant, sondern nebenbei kaufte ich mir auch neue Wanderschuhe, was bei mir leider eine Beschäftigung ist, die einen halben Tag dauert. Aber auch das schaffte ich, genau wie das Packen am Abend. Und so konnte ich am Montag den 25. 8. um viertel vor sieben ein paar Senpai am Bahnhof treffen und mit ihnen zum Treffpunkt fahren.

Das war jetzt ziemlich ausführlich, aber ich fand, oder finde es immer noch, beeindruckend, dass ich vor einer Woche meine Lehrerin um Erlaubnis bat und zu dem Zeitpunkt wirklich mit nichts außer zu kleinen Wanderschuhen da stand, und jetzt bin ich schon wieder zurück. Und am Freitag vor einer Woche sprach ich zum ersten Mal mit meinen Senpai aus dem Hikingclub (die aus dem Teezeremonieclub sind schon längst meine Freunde), und zu dem Zeitpunkt hatte ich Angst vor ihnen und sie vor mir, weil sie dachten, ich könne nur Englisch. Und jetzt hatten wir vier unglaublich schöne Tage zusammen, sie lieben mich alle, und es kommt mir so vor, als würde ich sie schon ewig kennen. Ich habe mir auch drei Namen gemerkt! Von zehn...

Wie viel kann man in zwei Wochen machen..?

Besonders beeindruckend wird es, wenn man bedenkt, was ich in diesen zwei Wochen noch so alles gemacht habe: Am Dienstag den 12. 8. war ich im Museum bei der Yokohama Triennale, einer großen Ausstellung von zeitgenössischer Kunst, wo ich als Kunstwerk mitgewirkt habe, indem ich zwei Minuten Deutsch vorgelesen habe, und danach habe ich den Nachmittag mit einer Freundin verbracht. Am Mittwoch den 13. und Donnerstag den 14. 8. war ich in Disneyland (mit Übernachten). Am darauf folgenden Wochenende zweimal beim Aikido, am Montag den 18. 8. mit einer Freundin unterwegs. Wir verbrachten den ganzen Tag in einem Einkaufszenter und eigentlich aßen wir nur oder überlegten, was wir essen könnten oder schauten uns Läden an, weil wir warteten, bis wir wieder essen konnten, ohne zu platzen. Es war aber sehr lustig. Am Dienstag den 19. 8. ging ich erst Zutaten kaufen, buk dann Nussecken für meine Gastfamilie und kochte schließlich Kartoffelbrei zum Abendessen. Das war ein tagesfüllendes Programm, das aber Spaß machte. Außerdem war ein Freund von Yutaro da, der sehr großes Interesse daran hatte, sich mit mir zu unterhalten, sich aber erst meinen Namen nicht merken konnte und mich Paella nannte. War sehr erheiternd. Am Mittwoch den 20. 8. hatte ich mit neun anderen Austauschschülern eine seltsame, freiwillige Verantstalltung in einer Sprachschule für Grundschüler. Wir sollten ihnen etwas über die Länder, aus denen wir kommen, erklären und es regte uns alle auf, was diese Lehrer da machten und war etwas albern, weil die Kinder teilweise echt kaum Englisch verstanden, weshalb ich schließlich mit dem Lehrern, die teilweise kaum Japanisch können, auf Englisch, mit den Kindern auf Japanisch und mit einem deutschen Jungen auf Deutsch sprach. Das hatte dann zur Folge, dass ich vollkommen verwirrt war, die ganzen Leute auf den falschen Sprachen ansprach, und bei Englisch nur noch stotterte. Aber irgendwann war dieser Zirkus zum Glück vorrüber und wir Austauschschüler feierten unser Wiedersehen (manche, die aus irgendwelche Gründen nicht mit zum Sommercamp gekommen waren, hatten wir seit März nicht mehr gesehen) damit, dass wir zum Karaoke gingen. Das war sehr witzig, laut und albern. Es wurden Lieder auf allen möglichen Sprachen gesungen und meistens sang eh die halbe Gruppe zusammen. Danach machten wir noch Purikura und ich weiß jetzt auch, dass man zu neunt in einen Purikura-Automaten passt (wobei man mich meistens nur halb sieht). Am Donnerstag, Freitag und Samstag hatte ich dann vormittags Clubtraining. Am Donnerstagnachmittag war ich deshalb halb tot. Am Freitagnachmittag ging ich mit Nu-Lek ins Kino, wir sahen den neuen Film von Gibli. Die Bilder sind, natürlich, sehr schön, und die Geschichte mittelmäßig. Aber ich verstand sie komplett und das war ein echt schönes Gefühl. Am Samstagabend ging ich mit zwei Freunden, die ich beim AFS-Sommercamp kennengelernt habe, zum Hanabi. Ich kann alleine im Internet das Kinoprogram und den Zugfahrplan nachschauen! Und mir ist klar geworden, dass man sehr sehr viel in zwei Wochen reinquetschen kann.

Camp, 1. Tag

Jetzt zum Camp: Es waren vier Tage. Am ersten Tag, Montag, trafen wir uns morgens um acht irgendwo und fuhren dann mit Zug und später mit zwei Bussen zu einem Campingplatz, der auf über zweitausend Metern in den Minami Alps liegt. Leider war das Wetter mal wieder nicht so toll, es war Regen vorhergesagt und auch schon ziemlich bewölkt und neblig, so dass man von der sicherlich tollen Aussicht nichts sah. Auf dem Zeltplatz wurden dann Zelte aufgebaut und um drei kochten wir uns selbst auf Gaskochern unser Abendessen. Bis abends um halb acht war Freizeit, dann war es stockfinster und wir mussten schlafen. 

Der Zeltplatz

2. Tag: Kaikomagatake

Am zweiten Tag hieß es nämlich, nach einer mittelmäßigen Nacht, um vier Uhr aufstehen. Es war immer noch stockfinster und auch immer noch extrem kalt. Mit Stirnlampen kochten wir uns Yakisoba (gebratende Nudeln) zum Frühstück und um kurz nach fünf machte sich meine Gruppe als dritte von vier auf den Weg in Richtung Kaikomagatake. Nach steilem Anstieg durch einen Wald kamen wir zu einem Geröllhang und wider Erwartens gab es ein bisschen blauen Himmel und der Morgensonne sah es wunder schön aus. Vom Rand des Geröllfeldes, den wir nach einer Weile erreichten, hatten wir eine wunderschöne Sicht. Von dort ging es einen echt steilen und langen Weg einen Grad hinauf. Erst durch Wald, später verwandelte sich das in niedriges Gebüsch, dann kamen irgendwann vermehrt Felsen dazu. Außerdem war der Wind ungeheuer stark und je höher wir kamen, desdo weniger konnten wir sehen, bis wir schließlich vollkommen in Nebel gehüllte waren. Kurz nachdem meine Gruppe den oberen Teil des Berges erreicht hatte, der nur noch aus Stein bestand, fing es an zu regnen. Also Regenjacken und -hosen anziehen und weiter gehts. Ein Mädchen fragte sogar einmal, "geben wir auf?" aber es war offensichtlich, dass niemand das wollte, also ging es weiter. Und auf dem Gipfel hörte der Regen dann sogar mal auf. Nur die Kälte blieb, die uns alle fast lähmte, während wir unser Mittagessen (um halb zehn morgens) runterschlangen. Und dann ging es wieder runter. Der obere Teil war echt unheimlich. Wir gingen ja auf Fels, schon fast auf einem Grad, wegen der Wolken sah man nichts außer den Menschen, die in bunten Regenjacken vor einem her liefen, der Wind war so stark, dass wir manchmal stehenbleiben mussten, um nicht umgeschmissen zu werden, und der Regen war so hart, dass er selbst durch die Kapuze hindurch im Gesicht schmerzte. Weiter unten, als der Regen erfreulicherweise aufgehört hatte, mussten wir dann um riesige Pfützen herum klettern, aber es war sehr angenehm im Gegensatz zu dem, was wir oben erlebt hatten. Richtig schrecklich war es dann zu überlegen, wie man mit nassen Füßen, Jacken und Rucksäcken zu viert in dieses viel zu enge Zelt kommte, ohne alles andere auch noch nass zu machen. Und dann auf einem Kocher bei ströhmendem Regen Abendessen zu kochen. Wir hatten zum Glück eine Art Bierzelt, wo wir kochen konnten und aßen dann in unseren Zelten. Wieder hatten wir Freizeit und wieder schliefen wir um halb acht.

Es wird hell... 6 Uhr Aussicht um 6:16 Uhr und ein steiler Aufstieg um 6:40 UhrMorgenhimmel 6:17UhrAussicht 7:15UhrDiesen Grad liefen wir entlangDer felsige obere Teil (8:40 Uhr) und der Gipfel um 9:18 Uhr im Regen; im Hintergrund ist alles nur weiß

3. Tag: Senjogatake

Wir standen auch wieder um vier auf, machten unser am Abend vorbereitetes Essen und machten uns diesmal sogar vor fünf auf den Weg. Ab zwölf Uhr, hieß es, würde es regnen, also war die Motivation, schnell zu sein, natürlich noch größer. Am Anfang während wir uns wieder an einen steilen Anstieg durch einen Wald machten, mussten wir noch unsere Stirnlampen benutzen, weil es so dunkel war. An dem Tag war es wahrscheinlich noch steiler und noch nebliger, als wir schließlich aus dem Wald auf einen mit Gebüsch bewachsenen Grad kam, sahen wir von der Aussicht mal wieder nichts. Auf diesem Grad (der aber sehr breit war) ging es dann die ganze Zeit entlang. Am Anfang spielten wir beim Laufen Spiele, später suchten wir nach Blumen und sahen einmal einen süßen Vogel, und irgendwann überlegten wir eigentlich nur noch, ob der Berg, den wir durch den Nebel erspähen konnten, wohl der Gipfel war. Meistens war er es nicht und wir mussten recht viel hoch und runter laufen oder besser klettern, denn es gab immer wieder große Felsen. Um 8:40 erreichten wir dann den Gipfel Senjogatake, 3033 Meter! Es regnete immer noch nicht, aber sehen konnten wir auch immer noch nichts. Nachdem wir Fotos gemacht hatten, aßen wir schnell, und dann machten wir uns nach einer Weile durchgefroren wieder auf den Weg nach unten. Dieser Weg war wunderschön, es gab Wiesen und Blumen und eine Menge Bäche, die wir überspringen mussten. Und das Wetter war etwas besser, bis es irgenwann am Ende doch noch mal ein paar Tropfen regnete. Um kurz nach zwölf erreichten wir wieder den Zeltplatz und dort kauften wir uns Trinken und es gab zum ersten Mal Sonnenschein. Der ganze Nachmittag war Freizeit, nur dass wir uns natürlich wieder Essen kochen mussten, diesmal bei wunderschönem Wetter. 

 Der süße Vogel Hinter den Wolken befindet sich Kaikomagatake Der Weg (normalerweise sieht man, dass man auf einen Dreitausender zu läuft) 8Uhr Gipfel 8:40Essen auf dem Gipfel im NebelDiesen Grad sind wir hochgestiegenDer Berg ist Kaikomagatake, als man ihn mal einen Moment lang sehen konnte

4. Tag

Am vierten Tag standen wir um fünf auf, kochten Tütenramen, bauten die tropfenden Zelte ab, packten fertig und machten uns dann bald auf den Weg. Mit Bussen ging es durch die Berge und wegen der Mischung aus zu viel Ramen, kurvigen Straßen und stinkenden Bussen wurde mehreren von uns ganz schön übel. Halt machten wir bei einem Onsen. Irgendwie verbinde ich mit Onsen Ruhe und Erholung, aber es war ganz schöner Stress, weil wir Erstklässler zu 18 nur 25 Minuten Zeit hatten, was ziemlich wenig ist. Ansonsten war es eigenltlich genauso, wie die Bäder, die ich aus Tokyo und vom Sommercamp kenne, wo halt alle zusammen baden. Nur dass es diesmal leicht nach Schwefel roch, das Badebecken aus Holz bestand, das sehr schleimig und grün war, und man durchs Fenster eine schöne Aussicht auf Berge -im Regen- hatte. Es war auf jedenfall schön, nach drei Tagen wieder baden zu können. In diesen Tagen konnten wir übrigens nicht einmal Zahnpasta benutzen. Und unseren Müll mussten wir komplett selbst mit heim nehmen. Wir warteten dann sehr lange auf den Reisebus, der uns irgendwie nicht fand, und fuhren zurück nach Yokohama. Auf einer Raststätte aßen wir zu Mittag, aber auch das unter ziemlichem Zeitdruck, und in der Schule versuchten wir, die Zelte zu putzen. Richtig erfolgreich waren wir dabei nicht, deshalb müssen wir das nächste Woche nochmal machen. Dann fuhren wir alle heim.

Die Stelle, wo unser Zelt stand. Die Steine dienten dem Schutz vor Regen (unsere Gruppe hat etwas übertrieben)

 

Keine Ahnung, ob eine so detaillierte Beschreibung irgendwen interessiert hat, tut mir leid, falls nicht. Aber es hat mich echt sehr gefreut, dass ich wider Erwarten doch noch mit fahren konnte. Ich dachte, es würde schrecklich anstrengend werden, aber so war es gar nicht, möglicherweise wegen des wirklich schrecklichen Trainings in den Sommerferien.

Nur jetzt sind meine Sommerferien leider schon vorbei, nächsten Montag geht die Schule wieder los. Gestern im Bus herrschte deshalb bei meinen Freunden teilweise große Angst, weil sie die Hausaufgaben noch nicht fertig haben und in zwei Wochen Examen sind. Ich vermute, dass sie die nächsten Tage ununterbrochen lernen werden. Ich habe leider auch alles, selbst die einfachsten Sachen in Mathe, schon wieder vergessen. 

Übrigens spreche ich hier ja, wie alle anderen Austauschschüler, von summer camp. Japanische Schüler verstehen das aber, nach meiner Erfahrung, gar nicht unbedingt. Sie sagen nämlich nicht summer camp sondern "gasshuku".

Pauline

 

*Geschäfte haben in Japan Sonntags geöffnet.